Der Rohstoffhändler Glencore nimmt im Kongo Kinderarbeit und unmenschliche Arbeitsbedingungen in Kauf, um Rohstoffe zu gewinnen. Syngenta verdient mit Pestiziden, die in Europa verboten sind, in Entwicklungsländern viel Geld und gefährdet dabei die Gesundheit der Bauern und Bäuerinnen. Triumph schliesst auf den Philippinen gewerkschaftlich organisierte Produktionsstätten, um sie anderswo wieder zu öffnen.
Bis anhin gibt es keine rechtlichen Mittel, um Menschenrechtsverletzungen von Schweizer Firmen im Ausland zu verhindern. Doch eigentlich würde der Eidgenossenschaft eine besondere Verantwortung zukommen: Pro Kopf der Bevölkerung zählt sie die höchste Dichte international tätiger Unternehmen. Tiefe Steuern, Stabilität und andere Vorzüge machen unser Land nicht nur für alteingesessene Firmen wie Nestlé, Roche oder Holcim interessant. Auch viele Zuzüger wollen davon profitieren, wie der Bergbauriese Xstrata, Transocean (die Besitzerin der explodierten BP-Bohrinsel im Golf von Mexiko) oder Trafigura (die vor ein paar Jahren mit der Ablagerung von Giftmüll in der Côte d’Ivoire für Schlagzeilen sorgte). Seit 2003 haben rund 300 Firmen ihren Sitz in die Schweiz verlegt. Genf und Zug sind heute globale Zentralen im weltweiten Rohstoffhandel.
Viele Firmen haben sich in den letzten Jahren Regeln für sozial und ökologisch verantwortliches Verhalten gegeben. Doch diese Initiativen haben einen Haken: Sie sind freiwillig und nicht verbindlich. Oft fehlt eine unabhängige Instanz, welche die Einhaltung überprüft. Verstösse werden nicht geahndet und können von den Betroffenen nicht eingeklagt werden. Internationale Organisationen versuchen deshalb, die Einhaltung der Menschenrechte durch Unternehmen zu verbessern. Kürzlich verabschiedete der Uno-Menschenrechtsrat Richtlinien seines Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte, John Ruggie. Sein Konzept baut auf drei Säulen auf: Alle Regierungen haben die Pflicht, die Menschenrechte auch gegenüber der Wirtschaft zu schützen. Die Unternehmen tragen ihrerseits Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte. Und drittens sollen Menschen, die wegen Menschenrechtsvergehen von Unternehmen Schaden erleiden, Zugang zu Rechtsmitteln erhalten.
Hier knüpft die Kampagne «Recht ohne Grenzen» an. Sie wird von rund 50 schweizerischen Organisationen getragen, unter ihnen auch Amnesty International. Die Kampagne verlangt von Bundesrat und Parlament, Unternehmen mit Sitz in
der Schweiz zur Respektierung von Menschenrechten und Umweltnormen zu verpflichten. Die Schweiz hat bisher verbindliche Regeln für ihre Multis abgelehnt und sich auf die Unterstützung von freiwilligen Initiativen beschränkt. Mehr noch: Das Schweizer Recht verhindert gar, dass Stammhäuser für Verstösse ihrer Filialen im Ausland zur Verantwortung gezogen werden können. Und es verwehrt Betroffenen den Zugang zur Schweizer Justiz. Die Kampagne «Recht ohne Grenzen» will dies mit gezieltem Lobbying bei den ParlamentarierInnen ändern. Mit einer Online-Petition kann die Bevölkerung die Forderung nach klaren Regeln für Konzerne unterstützen.
Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von November 2011
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion