«Wir stehen in ständigem Dialog mit verschiedenen internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) und lokalen sozialen Projektgruppen. Wir wollen Debatten immer sachlich führen und streben nach konstruktiven Handlungsansätzen.» Diese hehren Grundsätze stehen auf der Website des Schweizer Holzkonzerns Danzer. Was das in der Realität bedeutet, haben die Angehörigen der Waldgemeinde Yasilika im Dorf Bosanga in der Provinz Equateur der Demokratischen Republik Kongo (DRK) schmerzhaft erfahren müssen.
In der Nacht auf den 2. Mai 2011 haben rund 60 Polizisten und Soldaten das Dorf überfallen. Sie haben die DorfbewohnerInnen zusammengeschlagen, Frauen und Mädchen vergewaltigt, mehrere Personen erlitten schwere Verletzungen, der 61-jährige Frédéric Moloma Tuka starb an seinen Verletzungen. Polizisten und Soldaten zerstörten ein Haus komplett, aus anderen Häusern warfen sie das Mobiliar auf die Strasse, anschliessend fuhr ein LKW über die Güter. 16 Personen wurden verhaftet und mitgenommen. Greenpeace hat den Überfall in einem Bericht vom 7. November 2011 detailliert dokumentiert. Unterstützt wurde die Umweltorganisation vom kongolesischen Netzwerk Réseau Ressources Naturelles (RRN), dem mehr als 300 NGOs angehören.
Der LKW, mit dem die kongolesischen Sicherheitskräfte ins Dorf gefahren wurden und der später Hab und Gut der Yasilika zerstörte, gehört Siforco (Société Industrielle et Forestière du Congo), einer Tochtergesellschaft von Danzer. Am Steuer sass ein Siforco-Mitarbeiter. Die 16 von den Sicherheitskräften verhafteten Personen wurden auf dem Lastwagen von Siforco ins Gefängnis der Bezirksstadt Bomba gefahren. Unterwegs hat der LKW auf dem Werksgelände von Siforco angehalten. Der lokale Siforco-Chef, Klaus Hansen, hat sich die Gefangenen angesehen und anschliessend Polizisten und Soldaten ausbezahlt, wie Zeugen gegenüber Greenpeace bestätigten. Die Gefangenen wurden erst am 6. Mai auf Anordnung eines Appellationsgerichts freigelassen.
Dementi von Danzer
Danzer hat zwei Tage nach der Publikation des Greenpeace-Berichts am 9. November in einer Medienmitteilung festgehalten, dass sie und Siforco «die Gewaltanwendung gegenüber den Bewohnern von Yasilika weder beabsichtigt noch gefördert oder unterstützt» hätten. Diese Vorfälle hätten sich «jenseits der Kontrolle oder der Verantwortung von Siforco ereignet». Siforco werde quasi gezwungen, «die örtliche Verwaltung in Bezug auf die Logistik zu unterstützen (zum Beispiel mit Fahrzeugen oder Räumlichkeiten), ohne über deren Einsatzzweck informiert zu werden». Danzer und ihre Tochtergesellschaften setzten sich «für eine dialogorientierte und friedliche Kooperation mit den Einheimischen» ein.
Danzer holzt seit 1993 in der Region Bosanga Regenwald ab. Der Konzern kontrolliert im Kongo zwei Millionen Hektar Wald und ist damit das zweitgrösste Holzunternehmen im Land. Im Januar 2005 unterzeichnete Danzer mit Vorstehern von traditionellen Gemeinschaften «cahiers des charges», Abkommen über soziale Verantwortung. Dazu sind Holzfirmen seit Inkrafttreten des Waldgesetzes von 2002 verpflichtet, um Gemeinden zu entschädigen, auf deren Gebiet Wald gerodet wird.
Zu den Vorfällen in Bosanga hat letztlich geführt, dass Danzer gegebene Versprechen nicht eingehalten hat. Konkret sollten in Bosanga eine Schule und ein Gesundheitszentrum gebaut werden. 2009 waren die Einrichtungen noch immer nicht gebaut. Der Weltkonzern Danzer, der seine Geschäfte in Nord- und Südamerika, in Europa und in Afrika treibt, redete sich mit der «internationalen Finanzkrise» heraus und legte einen neuen Fahrplan für den Bau der sozialen Einrichtungen vor.
Am 20. April 2011 verloren die Yasilika die Geduld, sie «beschlagnahmten» ein Radio, eine Sonnenzelle und einige Batterien, um die Danzer-Tochter Siforco dazu zu bringen, endlich ihre Versprechen einzulösen. Sie übergaben einem Siforco-Angestellten sogar eine Quittung für die Gegenstände. Klaus Hansen, der lokale Siforco-Chef, reichte sofort eine Strafanzeige ein, in der er zudem unwahre Anklagen gegen Yasilika-Gemeindemitglieder erhob.
Dass dieser Einsatz nicht gewaltfrei ablaufen würde, hätte Danzer voraussehen können, davon ist Greenpeace überzeugt. «Dies ist nicht das erste Mal, dass solche Schreckenstaten ans Licht kommen», erklärt Karine Jacquemart, Kongo-Projektleiterin des Greenpeace Forests Network. Greenpeace hat zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Holzunternehmen ihre Versprechungen gegenüber Dorfgemeinschaften nicht eingehalten haben und die Proteste dann mit Gewalt niedergeschlagen wurden. «Diese traurige Geschichte steht beispielhaft dafür, wie das Geschäft mit dem Holzeinschlag in der Demokratischen Republik Kongo funktioniert», betont Jacquemart.
Zwielichtige Geschäfte
Einen besonders schlechten Ruf hat diesbezüglich die Danzer Gruppe mit Hauptsitz in Baar. Gemäss Greenpeace war Danzer während der Bürgerkriege in Liberia und in der DRK in den frühen 2000er-Jahren in den Kauf von sogenanntem «Konfliktholz» involviert. Zudem gibt es Indizien, dass Danzer 2007 Zahlungen an das Mouvement de Libération du Congo (MLC) von Rebellenführer Jean-Pierre Bemba leistete. MLC hatte damals die Gebiete besetzt, in denen Danzer Wald rodete. Bemba wird gegenwärtig vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Prozess gemacht. Danzer hat bestritten, direkte Zahlungen an die MLC getätigt zu haben.
Schwer verständlich ist es angesichts der Menschenrechtsverletzungen, die Danzer und seinen Tochtergesellschaften in den letzten Jahren zur Last gelegt werden, dass der Holzkonzern für seine Tätigkeit in der DRK das FSC-Zertifikat erhalten hat. FSC (Forest Stewardship Council) ist eine internationale NGO, die prüft und mit einem Zertifikat bestätigt, dass Wald nachhaltig genutzt wird. Dazu müssen zehn Prinzipien erfüllt sein. Prinzip 3 fordert die «Wahrung der Rechte indigener Völker», Prinzip 4 hält fest, dass die Waldbewirtschaftung «das soziale und ökonomische Wohlergehen der im Wald Beschäftigten und der lokalen Bevölkerung langfristig erhalten oder vergrössern» soll.
Mutiger Schritt
Danzer versucht dem Vernehmen nach, eine aussergerichtliche Einigung mit der Waldgemeinde Yasilika im Dorf Bosanga zu erzielen, um einer gerichtlichen Verurteilung zu entgehen. Die Yasilika haben sich aber im August dafür entschieden, offiziell Klage gegen die Täter und gegen Klaus Hansen von Siforco zu erheben. Geklagt wird wegen Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, Schlägen mit Todesfolge, Zerstörung von Mobiliar, Folter und Anstiftung zum Gesetzesbruch von Soldaten.
Dies ist ein äusserst mutiger Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit der Holzunternehmen in der DRK, denn die KlägerInnen müssen mit Repressalien rechnen. Der Anwalt der Betroffenen wurde in anonymen Telefonanrufen auch bereits unter Drohungen aufgefordert, die Klage zurückzuziehen. Auf der Danzer-Website wird der chinesische Philosoph Laotse zitiert: «Man ist nicht nur verantwortlich für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.» Dem ist nichts beizufügen.
Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von März 2012
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion