Zentralamerikanische Migranten auf ihrem Weg an die US-amerikanische Grenze Ixtepec, 14. Juli 2011.© Amnesty International (Photo: Ricardo Ramírez Arriola)
Zentralamerikanische Migranten auf ihrem Weg an die US-amerikanische Grenze Ixtepec, 14. Juli 2011. © Amnesty International (Photo: Ricardo Ramírez Arriola)

MAGAZIN AMNESTY In den Fängen der «Zetas»

Die «Zetas» gelten als das gewalttätigste Kartell Mexikos. Sie entführen MigrantInnen auf dem Weg in die USA, um Lösegeld zu erpressen, sie als Drogenkuriere zu benutzen oder Frauen zur Prostitution zu zwingen.

Francisco Martínez* ist vorsichtig. Selbst hier in der Herberge des Pfarrers Alejandro Solalinde in Ixtepec im Süden Mexikos fühlt er sich nicht ganz sicher. «Die ‹Zetas› haben überall ihre Leute», sagt er mit gedämpfter Stimme. «Viele arbeiten für die Mafia und geben Informationen weiter.» Dann erzählt der 25-jährige Guatemalteke aber doch, wie er im Frühjahr letzten Jahres in der nordmexikanischen Stadt Nuevo Laredo entführt wurde. Plötzlich seien ein paar bewaffnete Männer auf den Güterzug gesprungen, mit dem er und zehn weitere Migranten Richtung USA fuhren. «Sie zogen ihre Waffen und zwangen uns abzusteigen», berichtet er. Daraufhin seien sie in eine jener zahlreichen geheimen Unterkünfte gebracht worden, die das «Zeta»-Kartell entlang der Bahnstrecke quer durch Mexiko unterhält.

Martínez hatte Glück. Seine in den USA lebende Familie zahlte 5000 US-Dollar Lösegeld. Daraufhin liessen ihn seine Entführer wieder frei. Seinen Mitgefangenen erging es schlechter. Einige hätten sie so lange mit Holzlatten geschlagen, bis sie zusammengebrochen seien, erinnert sich der junge Mann. «Wenn die Typen auf Drogen sind und nicht die Wahrheit aus dir herausholen können oder du keine Familie hast, kann es sein, dass sie dich in Stücke schneiden und diese in den Fluss werfen.»

Für das Zeta-Kartell sind die Wanderarbeiter zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Die Kriminellen rauben ihre Opfer aus, kassieren Lösegeld oder zwingen sie, Drogen über die Grenze zu bringen. Frauen werden zur Prostitution gezwungen. Im Jahr 2010 zählte Mexikos Nationale Menschenrechtskommission (CNDH) 18000 entführte MigrantInnen. Die Dunkelziffer ist erheblich. Häufig seien Polizisten und Migrationsbeamte in die Taten verstrickt.

Aus ehemaligen Elitesoldaten hervorgegangen, gelten die «Zetas» als das gewalttätigste Kartell Mexikos. Sie sind nicht nur in Drogengeschäfte und Entführungen verstrickt, sondern verdienen ihr Geld auch durch Menschenhandel, Geldwäsche oder Schutzgelderpressung. Auf ihr Konto geht ein Anschlag auf ein Spielcasino, bei dem mehr als 50 Menschen getötet wurden. Auch für die Hinrichtung von 72 MigrantInnen in der nordmexikanischen Gemeinde San Fernando im August 2010 sind sie verantwortlich. Die Entführten hätten sich geweigert, für die «Zetas» zu arbeiten und seien deshalb erschossen worden, berichtete einer der beiden Überlebenden des Massakers.

Schon bevor die MigrantInnen ins Visier der «Zetas» gerieten, waren sie auf ihrer Reise in die USA hohen Risiken ausgesetzt. Sie wurden von Jugendbanden überfallen oder von Migrationsbeamten erpresst, manche gerieten unter die Räder eines Güterzuges. Seit jedoch das Kartell gegen sie vorgeht, ist die Reise noch gefährlicher geworden. Dennoch machen sich jedes Jahr Hunderttausende aus Zentralamerika auf den Weg. Auch Francisco Martínez gibt nicht auf. Nach der Entführung wurde er an der US-Grenze festgenommen und nach Guatemala abgeschoben – er hatte keine Einreisepapiere. Jetzt ist der junge Mann wieder unterwegs.

Erschienen in «AMNESTY - Magazin der Menschenrechte» von August 2012
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion