«Willkommen in Sri Lanka», heisst es auf der Webseite der Tourismus Behörde Sri Lankas, gefolgt von: «Das Wunder Asiens». Darunter werden die Sehenswürdigkeiten des Landes beworben: Auf die BesucherInnen warteten unter anderem «unberührte» Strände, ein reiches kulturelles Erbe, Abenteuer und eine exotische Tierwelt. Nach dem fast drei Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg unternimmt Sri Lankas Regierung gerade grosse Anstrengungen, um möglichst viele Touristen und Touristinnen ins Land zu holen. Und das mit Erfolg: 2010, ein Jahr nach dem ende des blutigen Bürgerkrieges, ist die Zahl der ausländischen BesucherInnen um fast 50 Prozent angestiegen. 2011 haben laut der staatlichen Tourismusentwicklungsbehörde mehr als 850‘000 reisende das Land besucht. Die Regierung hat landesweit 15 sogenannte Tourismus Zonen ausgewiesen, die lokale und multinationale Konzerne zu Feriengebieten ausbauen sollen. So soll die Zahl der Touristen bis 2016 auf 2,5 Millionen ansteigen. Die Weltbank unterstützt die «nachhaltige Tourismusentwicklung» in Sri Lanka seit 2010 mit rund 16 Millionen Franken.
Hotel Konzerne aus aller Welt sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Unter anderem Shangri-La, Sheraton und Mövenpick bauen gerade Luxushotels in mehreren Landes- teilen. Sie dürften damit Erfolg haben. Schon Marco Polo hat Sri Lanka im 13. Jahrhundert als «feinste Insel dieser Grösse in der gesamten Welt» beschrieben. Seit hunderten von Jahren strömen BesucherInnen aus Europa auf die Tropeninsel. In zahlreichen Reiseberichten werden die natürliche Schönheit des Landes und die Gastfreundschaft der Bevölkerung angepriesen. Das Angebot von zahlreichen neuen Luxus- und Ökotourismus-resorts dürfte im Asien-verrückten Europa auf riesiges Interesse stossen. Doch der Boom in der Tourismusbranche hat eine Schattenseite. Er beschleunigt den Landraub, der in Sri Lanka – wie in vielen Ländern Asiens – immer mehr zum Problem wird.
Bereits 2011 hat die Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz (GfbV) von einem Fall im Nordwesten des Landes berichtet. Ein Joint Venture mit Schweizer Beteiligung hatte in der Kalpitiya- Region eine Insel geleast, um dort ein Luxus-Ökoresort zu bauen. Den Leasingvertrag hatte kein geringerer eingefädelt als Basil Rajapaksa, Minister für wirtschaftliche Entwicklung und einer der Brüder von Präsident Mahinda Rajapaksa. Doch schnell wurde bekannt, dass die Landrechte nicht geklärt waren. Dabei nutzen Fischer – die meisten von ihnen Tamilen – die Insel seit Menschengedenken für den Fischfang und siedeln dort saisonal. Sie wurden jedoch offenbar entgegen internationalen Bestimmungen nicht konsultiert.
Das Ökoresort ist nicht der einzige Problemfall in der Kalpitiya- Region. hunderte Fischer und Einwohnerinnen beklagen, dass sie für weitere Hotelprojekte ohne Entschädigung enteignet worden seien. Ein Gerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr gibt den Betroffenen jedoch Hoffnung: Seinulabdheen Saleema, eine verheiratete Mutter zweier Kinder, hatte gegen einen Unternehmer geklagt, der ohne ihr Einverständnis ein Luxushotel auf ihrem Land gebaut hat. Das Gericht gab ihr recht: er verurteilte die Firma dazu, Saleema eine Entschädigung in Höhe von 5 Millionen Rupien (nach heutigem Stand etwa 37‘000 Franken) zu zahlen.
Gemäss der GfbV schilderte Saleema den lokalen Medien die Geschehnisse auf ihrem Land so: «Vor sieben Monaten bemerkte ich, dass Arbeiter der Firma Dutch Bay Resorts in mein Grundstück eingedrungen waren und dort ein grosses Hotel zu bauen begannen. Ich erklärte ihnen, dass das Land mir gehöre, aber der Firmeneigentümer sagte mir, er habe das Land von jemand anderem gekauft. Er liess mich nicht auf das Gelände.»
Armee profitiert
Die Armee spielt bei den Enteignungen eine gewichtige Rolle. Die Regierung hat nach dem Sieg über die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) die Zahl der Soldaten noch einmal drastisch erhöht. Sri Lankas Streitkräfte verfügen heute über etwa 400‘000 Mann. Dabei ist das Land gerade einmal anderthalbmal so gross wie die Schweiz.
Auch wegen der massiven Armeepräsenz nehmen die Spannungen derzeit wieder zu. erst vor Kurzem haben aufgebrachte AnwohnerInnen in Point Pedro im äussersten Norden des Landes Gutachter vertrieben, die im Auftrag der Behörden Land für den Bau neuer Kasernen in Augenschein nehmen sollten. Tausende weitere AnwohnerInnen der Jaffna- Halbinsel haben gegen die Regierung und das Militär geklagt. Die Armee hat in der Region mehrere tausend Hektar Land konfisziert. Vieles davon gehört Menschen, die während des Krieges geflohen waren und nun feststellen müssen, dass sich der Staat ihr Land angeeignet hat. Immer häufiger kommt es deswegen zu zunehmend gewalttätigen Zusammenstössen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften.
Die Armee eignet sich nicht nur Land an, um Kasernen zu bauen. Sri Lankas Streitkräfte betreiben zahlreiche Unternehmen und investieren immer mehr in den Tourismus. In den tamilischen Regionen, in denen 2009 die letzten brutalen Schlachten des Bürgerkrieges geschlagen worden sind, konfisziere die Armee auch Land, um Ferienresorts zu bauen, sagen Aktivisten.
Massiver Ausbau
«Im Moment macht der Tourismus etwa einen Drittel der Wirtschaftsleistung des Landes aus und ist der drittwichtigste Sektor», sagt Angela Mattli von der GfbV. «Die Regierung möchte den Tourismus massiv ausbauen und dafür sorgen, dass er zum zweitwichtigsten Sektor wird.» Das lasse befürchten, dass die Fälle von Land- raub für Tourismusprojekte zunehmen werden. «Denn die Armee hat sich das Ziel gesetzt, die Nummer zwei im Tourismus in Sri Lanka zu werden.»
Dabei ist das Problem mit dem Landraub nicht nur auf den Siedlungsraum der Tamilen und Tamilinnen beschränkt. Auch in der hauptsächlich von SinghalesInnen bewohnten und landschaftlich attraktiven Panama-Region im Osten des Landes haben die Marine und die Luftstreitkräfte im grossen Stil Land konfisziert und sämtliche Anwohner vertrieben. Auch dort solle ein Stützpunkt errichtet werden, heisst es von offizieller Seite.
Doch Lakpriya Nanayakkara, Koordinator des NGO-Netzwerks Movement for Land and Agricultural reform (MON- LAr), hat einen anderen Verdacht. Der regierungskritischen Wochenzeitung «The Sunday Leader» sagte er, dass auf Aufnahmen, die aus der Ferne gemacht wurden, zu erkennen sei, dass auf dem beschlagnahmten Land ein hotelkomplex gebaut werde.
«Wir appellieren stark an die Tourismusanbieter in der Schweiz, nur Angebote ins Programm zu nehmen, die eine gewisse Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte erfüllen», sagt Angela Mattli von der GfbV. Sprich: Nur Angebote ins Programm nehmen, bei denen erwiesen ist, dass es nicht zu Landraub gekommen ist.
Von Sascha Zastiral. Er ist freier Journalist in Bangkok.
Erschienen in «AMNESTY - Magazin der Menschenrechte» von August 2013.
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion