Was das Wort «International» im Namen Amnesty International bedeuten kann, weiss Victoria Gronwald sehr genau. Die 22-Jährige hat trotz ihrer jungen Jahre schon einige europäische oder globale Treffen der Menschenrechtsorganisation erlebt, und sie sitzt in der Internationalen Kommission (IK) der Schweizer Amnesty-Sektion.
Die IK steht allen Mitgliedern offen, tagt etwa einmal im Monat und befasst sich damit, was auf globaler Organisationsebene geschieht und wie sich Amnesty International Schweiz dazu äussern soll. Das bringt die Lektüre von einer Menge an Texten mit sich – Papier, dessen Bedeutung für Victoria Gronwald im letzten Sommer zum Leben erwachte, als sie an der Internationalen Ratstagung der Organisation in Berlin teilnahm. Dieses Treffen, das alle zwei Jahre an einem anderen Ort auf der Welt stattfindet und an dem rund 450 Delegierte aller Sektionen teilnehmen, wird intern nur mit der englischen Abkürzung ICM (für International Council Meeting) benannt.
Die Studentin war sehr beeindruckt: «Am ICM traf ich Amnesty-Leute aus allen Gegenden der Welt. Wir hatten ein sehr dichtes Programm und haben viel gearbeitet, es gab aber auch Gelegenheit für Gespräche und Feiern.» Am ICM stellen die Teilnehmenden jeweils die Weichen für die Amnesty-Zukunft. Sie entscheiden im Auftrag ihrer Sektionen über die grossen strategischen, politischen und finanziellen Fragen der Organisation.
Die Schweizer Sektion schickte dieses Jahr sechs Delegierte, Victoria Gronwald reiste als Jugendvertreterin in die deutsche Hauptstadt. Die zierliche junge Frau drängt sich nie in den Vordergrund, nimmt aber gerne Gelegenheiten wahr, Reden vor grossem Publikum zu üben. So wie am ICM, als sie vor einem vollen Saal eine Resolution vorstellte. «Das machte mich nervös, aber es lief gut und unser Anliegen kam durch», sagt sie.
Victoria Gronwald, die im solothurnischen Gempen aufgewachsen ist, absolvierte ihr Grundstudium in Basel. Am Rheinknie trat sie vor drei Jahren der Amnesty-Hochschulgruppe bei. «Wir waren eine sehr gute Gruppe, die viel auf die Beine gestellt hat. Am meisten gefallen hat mir das ‹Step into Action› von Euforia. Das ist ein grosser Bildungsanlass für SchülerInnen, an welchem wir einen Workshop zu den Menschenrechten durchgeführt haben», erinnert sie sich begeistert.
Mit ihren 22 Jahren ist Victoria Gronwald bereits dabei, den Master in Entwicklungssoziologie und -ethnologie zu machen, für den sie im September nach Genf übergesiedelt ist. Sie bewohnt in der für ihre teuren Mieten berüchtigten Rhonestadt ein bescheidenes Zimmer in einem Studentenwohnheim. «Mir gefällt es hier gut, und ich treffe Studenten aus ganz verschiedenen Ländern», erklärt sie. Viel Zeit für Kaffeepausen und abendlichen Ausgang bleibt ihr allerdings nicht, denn das Studium ist sehr fordernd.
Was kann die Zukunft bringen, wenn die Uni einmal abgeschlossen ist? «Vielleicht möchte ich eine Doktorarbeit in Angriff nehmen. Ich kann mir aber auch sehr gut vorstellen, bei einer Organisation wie Amnesty zu arbeiten.» Der Menschenrechtsbewegung geht sie also hoffentlich nicht so schnell verloren.
Von Carole Scheidegger
Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von Dezember 2013.
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion