«Für Diktatoren, die die Menschenrechte mit Füssen treten, ist in Europa kein Platz. Das sehen wir aktuell in der Ukraine, und das gilt umso mehr für Belarus.» Beim Thema (Un-)Freiheit kommt Lars Bünger in Fahrt. Der 34-Jährige ist ehrenamtlicher Belarus-Länderexperte der Schweizer Amnesty-Sektion. Seit bald 15 Jahren beschäftigt sich der gebürtige Mecklenburger und Wahl-Zürcher mit der Lage in dem osteuropäischen Land. Seit dem Jahr 2000 hat er Belarus, wie Weissrussland amtlich heisst, praktisch jährlich besucht. «Die Leute, die ich dort kennenlernte, konnten mir aus erster Hand von den alltäglichen Repressionen erzählen.»
Seit gut drei Jahren ist dies nicht mehr möglich: «Ende 2010 wurde mein Visumantrag erstmals abgelehnt. Letztes Jahr erhielt ich nicht einmal ein Transitvisum, um per Zug nach Moskau zu reisen.»
Begonnen hat Lars Büngers Engagement für Amnesty International in der Schulzeit. Als 16-Jähriger lässt er sich am Hamburger Kirchentag 1995 von der Menschenrechtsarbeit anstecken. «Mich mit Briefeschreiben für politische Gefangene einzusetzen, war genau das Richtige. In Mirow, meiner kleinen Heimatstadt, war dies das Einzige, das ich in dieser Richtung tun konnte.» Während des anschliessenden Volkwirtschaftsstudiums in Bonn gründet er an der Uni eine Amnesty-Hochschulgruppe, die sich besonders intensiv mit Belarus befasst, und später das Hochschulgruppen-Netzwerk der deutschen Amnesty-Sektion. Daneben war und ist der bekennende Christ in verschiedenen Gemeinden unterwegs, in Deutschland im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM), derzeit in der Chrischona Zürich und als Helfer in der Heilsarmee.
2009 ruft er mit einigen anderen die Menschenrechtsorganisation Libereco – Partnership for Human Rights ins Leben, die nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu Amnesty angelegt ist. Eine der letztjährigen Libereco-Kampagnen richtete sich gegen die Durchführung der Eishockey-WM 2014 in Belarus. «Der Präsident des Eishockey- Weltverbandes, der Schweizer René Fasel, liefert seinen Sport ohne Not einem Diktator aus. Sollen die WM-Sieger ihre Goldmedaillen am Ende von einem Mann umgehängt bekommen, an dessen Händen Blut klebt?», empört sich Lars Bünger.
Sein zeitintensives Engagement für die Freiheit der Menschen in Belarus mag auch mit seiner Kindheit in der DDR zusammenhängen, wie er selbst einräumt. Im Wende-Herbst 1989 war er mit zehn Jahren zu jung, um auf der Strasse zu demonstrieren. «Ich war ein stolzer Pionier (staatliche Jugendorganisation, Anm. d. Red.). Erst später habe ich verstanden, dass ich vom Staat indoktriniert wurde. Vielleicht habe ich deshalb eine starke Abneigung gegen Diktaturen jeder Art.»
Nach Zürich gefunden hat er durch den Job. Er arbeitet bei der Klimaschutzstiftung myclimate, die sich im Bereich CO2-Kompensation und Klima-Bildung engagiert. Nach dem Norden (Kindheit), Westen (Studium), Osten (Job in Magdeburg) lernt er nun auch den Süden des deutschen Sprachraums kennen. Oder wie der passionierte Wanderer, der auch auf dem Jakobsweg gepilgert ist, sagt: «Ich bin Pfadfinder, das Weltenbummeln liegt mir im Blut.»
Von Boris Bögli
Erschienen in «AMNESTY - Magazin der Menschenrechte» von März 2014.
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion