Petén, das grösste Departement im Norden Guatemalas, besteht zum grossen Teil aus «geschützten Zonen». Das sei erfolgreiche Umweltpolitik, erklärt die zuständige Behörde CONAP und sammelt internationale Gelder. Und so sieht diese Umweltpolitik aus: An 48 Bohrlöchern wird Erdöl gefördert, 2010 wurden die Lizenzen der französisch-britischen Erdölgesellschaft Perenco um 15 Jahre verlängert. Das scheint die guatemaltekische Natur in den Augen von CONAP zu verkraften. Nur eines stört empfindlich: die Kleinbauern mit ihrer Subsistenzwirtschaft. Ihr Aufenthalt wird als illegal deklariert, mehr als 60 Gemeinden mit Tausenden von Menschen droht die Zwangsvertreibung.
Wo ist der Wald?
Auf dem Weg in eines der 37 Dörfer in der Laguna del Tigre, einer Kernzone der Schutzgebiete, hat das Militär einen Kontrollposten errichtet. Dort wird den ansässigen Kleinbauern und -bäuerinnen die Mitnahme von Baumaterial, Betten und sogar Lebensmitteln verweigert. Neben der Strassensperre prangt ein grosses Schild: «In der Laguna del Tigre sind ausschliesslich erlaubt: Tourismus, Forschung, Ausbildung. Alle anderen Aktivitäten sind illegal. »Ist es ein Versehen, dass die Erdölförderung vergessen wurde?
Schüsse, Gefangennahme, abgebrannte Häuser. Alle hier haben Angst.
Nach der Kontrolle geht es über tief ausgehöhlte Fahrspuren weiter. In der Trockenzeit kommt man hier mit einem Geländefahrzeug durch, in der Regenzeit überhaupt nicht. Grasland mit vereinzelten Bäumen, gelegentlich ein paar Rinder, streckenweise offen verlegte Pipelines. «Früher waren hier überall Wälder», sagen uns die Einheimischen. Für sie ist es keine Frage: CONAP schützt nicht die Wälder, sondern die Interessen von Perenco, von der sie auch direkt Leistungen erhält.
Vor einem Schulhaus findet eine Dorfversammlung statt. Die Leute berichten über ihre Sorgen: Die Erträge nehmen laufend ab. Eine Gesundheitsstation gibt es hier nicht, wer in der Regenzeit krank wird, kann nicht versorgt werden. Im oberen Teil des Geländes können die Felder nicht mehr bestellt werden, weil Militärs die indigenen Bauern und Bäuerinnen systematisch bedrohen: Schüsse, Gefangennahme, verbrannte Häuser und Pflanzungen. Eine Frau erzählt, sie sei zweimal gefangen genommen und nur gegen Lösegeld freigelassen worden. Ihre Kinder im Alter von acht und zehn Jahren habe man gefesselt und mit der Pistole bedroht. Alle hier haben Angst.
Wohin mit den Menschen?
Am nächsten Tag, einige holprige Autostunden weiter, berichten Familien aus der Gemeinde Centro Uno über die Vertreibung, deren Opfer sie vor viereinhalb Jahren wurden: «Soldaten und Polizisten kamen mit zahlreichen Lastwagen. Man gab uns 30 Minuten, um zu verschwinden, dann wurden unsere Häuser und Ernten angezündet. Wir mussten fliehen und sahen noch, wie unser Vieh und sogar das Wellblech unserer Dächer mit Lastwagen weggeführt wurden.»
Die 164 vertriebenen Familien leben heute weit entfernt in primitiven Hütten und besitzen kein Ackerland. Auch von dort müssen sie wieder fort, wohin, wissen sie nicht. In einer Menschenrechtskanzlei in Guatemala-Stadt sagt man uns später: «Diese Leute hatten in geordneten Verhältnissen gelebt, mit zwei Schulen, einem Gesundheitszentrum, einer Maismühle. Der Staat hatte das viele Jahre lang toleriert (die Lehrer waren vom Staat angestellt, Anm. der Red.). Dann ist es ungesetzlich, diese Leute plötzlich als Illegale zu bezeichnen und zu vertreiben.»
In den 1960er-Jahren hatte der guatemaltekische Staat die Niederlassung von Bauern im Petén ausdrücklich gefördert. Viele Indigene mussten aber vor den grausamen Massakern des Bürgerkriegs fliehen. 1996, nach dem Friedensschluss, kamen sie zurück und fanden noch freies Land. Das soll ihnen nun wieder ersatzlos genommen werden – von den selben Akteuren wie im Bürgerkrieg, die noch immer an der Spitze des Landes sind. Der heutige Präsident Otto Pérez Molina war hoher Befehlshaber im Bürgerkrieg. Er setzt auch heute auf das Militär: Demnächst sollen die sechs Militärstützpunkte im Petén auf zwölf erweitert werden. Diese sowie ein spezielles «Grünes Bataillon» werden mit Perenco- Geldern finanziert.
Wem gehört das Land?
Im Norden des Petén sind Megaprojekte geplant, um die Maya-Altertümer touristisch zu erschliessen. Im Süden dehnen sich riesige Monokulturen von Ölpalmen aus, unterbrochen durch grossblättrige Teak-Pflanzungen. In der Ferne der Rauch einer Raffinerie. Dazwischen grosse Rinderfarmen. Landkauf und Viehhaltung sind beliebte Investitionen, um Drogengelder zu waschen. Das Petén ist ein wichtiges Umschlaggebiet an der Grenze zu Mexiko, es gibt zahllose Landepisten für Drogenkuriere.
Den indigenen Bauern und Bäuerinnen wird ihr Land unter Druck weggenommen. Einer erzählt: «Ein Offizier, der in der Nachbarschaft Ländereien besass, wollte mein Land unbedingt aufkaufen, aber ich war nicht einverstanden. Da verbrannte zuerst meine gesamte Ananasernte, später 80 Mangobäume. Schliesslich wurde er deutlicher und sagte, wenn ich nicht verkaufen wolle, müsse er mit meiner Witwe verhandeln… Am Ende musste ich verkaufen, zu einem niedrigen Preis, den er selbst festlegte.»
Eines steht fest: Im Petén wird sehr viel Geld umgesetzt. Davon profitieren Perenco, die Drogenbarone und die Eliten des Landes. Die Indigenen aber stören das Geschäft, darum müssen sie weichen. Was aus ihnen wird, interessiert nicht. Skandalös erscheint bei alledem, dass sich die internationalen Geldgeber bei Weltbank, Entwicklungsbanken, ausländischen Regierungen und Umweltorganisationen durch die Rhetorik von Regierung und CONAP blenden lassen und deren letztlich menschenverachtende Politik grosszügig unterstützen.
Von Stefan Stankowski und Alma Noser. Der Autor und die Autorin sind ehrenamtliche LänderkoordinatorInnen für Zentralamerika von Amnesty Schweiz. Sie reisten im März auf einer privaten, zusammen mit Caritas-Schweiz/Guatemala organisierten Reise durch das Departement Petén.
Weitere Informationen:
www.icj.org
www.pbi-guatemala.org
Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von August 2014.
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion