Amerikas Schande: Das Gefangenenlager auf Guantánamo. © US DoD
Amerikas Schande: Das Gefangenenlager auf Guantánamo. © US DoD

MAGAZIN AMNESTY USA Schlechte Bilanz

Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom März 2015. Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion
Als Barack Obama vor sechs Jahren sein Amt antrat, weckte er grosse Hoffnungen. Doch ein Blick in US-Gefängnisse zeigt beispielhaft, wie schlecht es um die Menschenrechte in den USA weiterhin bestellt ist.

Als Obama sein Amt antrat, versprach er, Guantánamo zu schliessen. Doch dies ist bis jetzt nicht geschehen. Immer noch sind mehr als 100 Männer auf Guantánamo inhaftiert, die meisten ohne Anklage und Prozess. Zwar wurden in den vergangenen Monaten vermehrt Gefangene freigelassen, doch muss Guantánamo endlich ganz geschlossen werden. Die Verurteilung von Zivilisten durch Militärtribunale muss ebenfalls aufhören.

Nicht nur auf Guantánamo
Mehr als 2,2 Millionen US-Amerikaner und Amerikanerinnen sind eingesperrt, womit die USA die höchste Häftlingsrate der Welt aufweisen.

Unmenschliche Haftbedingungen erleben jedoch nicht nur ausländische Terrorverdächtige auf Guantánamo. Auf US-amerikanischem Boden werden in den Haftanstalten die Menschenrechte eklatant missachtet. Auch für ‹normale› Kriminelle entsprechen die Haftbedingungen keineswegs den Standards eines zivilisierten Staats. In den vergangenen dreissig Jahren wuchs die Zahl der Häftlinge um über 500 Prozent. Mehr als 2,2 Millionen US-Amerikaner und Amerikanerinnen sind eingesperrt, womit die USA die höchste Häftlingsrate der Welt aufweisen. Dabei sind farbige Menschen im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil stark überrepräsentiert. Umfangreiche Reformen der Masseninhaftierung sind dringend nötig: was die harten Haftstrafen für kleine Vergehen und Drogensüchtige angeht, die Haftbedingungen betreffend, aber auch in Bezug auf die ungleiche Behandlung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder sozialen Stellung. Hunderte Gefangene, die zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurden, haben die Verbrechen begangen, als sie noch minderjährig waren. Die Verurteilung zu lebenslangen Haftstrafen, ohne Chance auf Bewährung freizukommen, widerspricht ebenfalls internationalem Recht.

3000 Dead Men Walking

Unter den Häftlingen sind immer noch 3000 Menschen, die zum Tode verurteilt wurden und auf ihre Hinrichtung warten. Studien belegen, dass bei der Verurteilung zur Todesstrafe die Hautfarbe – insbesondere die Hautfarbe des Opfers – eine Rolle spielt. Auch geistig Kranke werden immer noch hingerichtet. Mehr als 130 Menschen wurden seit 1977 aus dem Todestrakt freigelassen, weil sich herausstellte, dass man sie zu Unrecht verurteilt hatte. Gerade in den Todestrakten herrschen harsche Bedingungen. Zwar haben sich einige Staaten von der Todesstrafe verabschiedet. Dennoch bleibt die Todesstrafe ein dunkler Fleck in der Menschenrechts-Bilanz der USA.

Haftgrund: Einwanderung

Über 35000 Männer, Frauen und Kinder werden jährlich von den US-Einwanderungsbehörden inhaftiert. Internationale Menschenrechtsstandards fordern, dass Haft wegen Einwanderung nur in begründeten Ausnahmefällen angewandt wird; jede Inhaftierung muss ausserdem begründet und gerichtlich überprüft werden. Dennoch können ImmigrantInnen in den USA über Monate und sogar Jahre eingesperrt werden. Ohne echte, individuelle Überprüfung der Haft. Amnesty International hat die miserablen Haftbedingungen, unter welchen die MigrantInnen festgehalten werden, dokumentiert. Auch sie widersprechen internationalen Standards, wie auch denen der USA selbst.

Von Robyn Shepherd, stv. Medienbeauftragte bei Amnesty USA.