Beim Filmfestival Berlinale vergibt die deutsche Sektion von Amnesty International jeweils den Amnesty-Filmpreis. Dieses Jahr erhielten gleich zwei Filme die begehrte Auszeichnung: «Fuocoammare – Fire at the Sea», ein Dokumentarfilm von Gianfranco Rosi über Flüchtlinge auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa. Und «Royahaye Dame Sobh – Starless Dreams» aus dem Iran, ein Film von Mehrdad Oskouei über Mädchen, die in einer Teheraner Besserungsanstalt einsitzen.
AMNESTY: Meret Becker, wie fanden Sie die nominierten Filme?
Meret Becker: Sensationell. Ich hoffe, diese Filme werden einem breiteren Publikum gezeigt. Ich bin froh, dass ich die Jury-Arbeit machen durfte. Man bekommt so viele Einblicke in Welten, die man sonst niemals zu sehen bekäme. Das ist ein Geschenk. Im Übrigen finde ich es grossartig, dass Amnesty International am Ende noch einen zweiten Preis herausgegeben hat.
Konnte sich die Jury nicht auf einen Preisträger einigen?
Doch, auf zwei. Und zwar einstimmig! «Royahaye Dame Sobh – Starless Dreams» ist eine Perle. Ich hoffe, dass der Preis einem Meisterwerk wie diesem Aufmerksamkeit verschafft. Von der ersten Minute an ist man mitten in dieser Geschichte und liebt die Protagonistinnen: lauter junge Frauen und Mädchen in einer Besserungsanstalt, die voller Träume und Lebensfreude sind, die aber letztlich keine Chance haben, «denn die Verhältnisse, sie sind nicht so». Aber man wünscht es ihnen von ganzem Herzen. Man verliebt sich in diese Menschen, die voller Trauer und gleichzeitig voller Komik sind. Der Film ist sensationell fotografiert, man vergisst, dass es eine Dokumentation ist. Und er geht sehr einfühlsam mit den Protagonistinnen um.
Und der zweite Film?
An «Fuocoammare» kommt man in der heutigen Zeit nicht vorbei, weil dies ein Werk ist, das sich dem Flüchtlingsthema auf einzigartige raffinierte Weise nähert. Er hat ja dann auch den Goldenen Bären gewonnen. Das spricht auch für die Hochwertigkeit der von Amnesty ausgezeichneten Filme.
Warum sind solche Stoffe im Kino gut aufgehoben?
Filme können ein Wunderwerk vollbringen: Menschen Menschen nahebringen. Ich glaube, würde man die Leute, die bestimmte Menschen ablehnen, ins Kino bekommen, würde der eine oder andere seine Meinung ändern und Verständnis entwickeln. Allein, darin liegt die Schwierigkeit.
AMNESTY: Dani Levy, dieses Jahr gibt es zwei Amnesty-Filmpreise …
Dani Levy: Ja, das resultiert aus der grossen Liebe für eben mehr als einen Film. Das Gute ist: Wir konnten das Preisgeld zweimal vergeben. Und das bei einem renommierten Preis! Als Filmemacher weiss ich, dass Preise für das Herausbringen und die Pressearbeit von Filmen eine wirklich wichtige Sache sind.
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Inhalt und Kunst?
Wenn du in die Filmjury von Amnesty International gehst, denkst du natürlich, dass hier nicht unbedingt die Kunstfilme laufen. Aber das Gegenteil ist richtig: Starke Inhalte fordern eine klare filmische Sprache. Filme mit einer klaren Botschaft müssen mit einem starken Herzen und klarem Geist gemacht werden. Dann finden sie auch eine gute Form.
Könnten Sie sich vorstellen, selbst als Regisseur auf diesem Terrain zu arbeiten?
Grundsätzlich schon. Aber das, was ich kann, habe ich als Autodidakt bei Spielfilmen gelernt. Ein Dokumentarfilm wäre für mich eine echte Aufgabe. Man muss dabei auch bedenken, was Arbeiten wie die von Rosi und Oskouei bedeuten – und in welche emotionalen Zustände man unter Umständen mit solchen Projekten kommt.
Eine Lebensaufgabe?
Ja – und das ist vielleicht auch ganz wörtlich zu nehmen: Wenn man, wie bei «Starless Dreams», sieben Jahre auf eine Drehgenehmigung wartet.