Die 25-jährige Primarlehrerin Hanieh ist ledig und lebt bei ihrer schwangeren Schwester in Teheran. Ihr Weg zur Arbeit in einer Mädchenschule ist mit langem, ermüdendem Pendeln verbunden. Zuhause rauben die familiären Pflichten Haniehs letzte freie Zeit, die verniedlichenden Worte ihres Freundes fressen den Rest ihrer Energie. Ihr Zivilstand verlangt nach kontinuierlicher Rechtfertigung. Das Gesuch um eine Versetzung in eine innerstädtische Schule bleibt fast in den endlosen Mühlen der Bürokratie hängen. Ein Dialog zwischen Hanieh und einer Mitarbeiterin der Schulbehörde, den man zu Beginn des Filmes aus dem Off hört, zeigt Haniehs mangelnde Kenntnisse der Kleidervorschriften und Sittenregeln. Genau diese sollte sie aber als Lehrerin durchsetzen.
Hanieh versucht ihrer Realität zu entfliehen und einen eigenen Weg zu finden. Mit eindrücklichen, kurzen Dialogen und aussagekräftigen Bildern veranschaulicht der iranische Regisseur Sina Ataeian Dena die unsichtbaren Grenzen und die Unmöglichkeit dieses Vorhabens: Hanieh rasiert sich den Kopf, aber der Millimeterschnitt wird vom Kopftuch verdeckt.
Auch Haniehs Schülerinnen kämpfen mit dem Rollenbild, dass ihnen übergestülpt wird. Während der Pausen unterbrechen ständig schrille Ermahnungen der Aufseherin das Spiel. In Reih und Glied aufgereiht müssen sie politisch-religiöse Lieder singen und Gymnastikübungen machen. Als jedoch ein Fussball auf dem Pausenplatz landet, spielen die Mädchen ausgelassen und ignorieren die Aufforderungen zum Aufhören. Als zwei Schülerinnen spurlos verschwinden, verwickeln sich die Schicksale von Hanieh und ihren Schülerinnen. Erfährt man zunächst anhand Haniehs Alltag die unsichtbare, strukturelle Gewalt der Gesellschaft gegenüber Frauen, kommt es nun zu einer realen und lebensgefährdenden Bedrohung.
«Paradise» ruft ein beklemmendes Gefühl hervor, weil er aufzeigt, dass es in der iranischen Gesellschaft keinen Raum gibt, wo Mädchen und Frauen sich selbst sein können. Gesetze und Moralvorstellungen regulieren alle Lebensbereiche.
Wie durchdringend die staatliche Kontrolle und Unterdrückung sind, zeigt sich letztlich auch darin, dass der Regisseur den Film illegal drehen musste und seine Veröffentlichung von offizieller Seite fast verhindert wurde. Ein sehenswerter Film, der zum Nachdenken anregt