Die Philippinen sind seit Jahren ein Eldorado für chinesische Syndikate, mexikanische Kartelle und die japanische Mafia. Kriminelle überschwemmen das Land mit der Billigdroge Crystal Meth, die in den Philippinen Schabu genannt wird, einem Aufputschmittel, das Hunger, Müdigkeit und Schmerzen unterdrückt. Über vier Millionen Filipinos und Filipinas sollen der Droge verfallen sein. Sie zerreisst Familien und vernichtet Existenzen. Vor allem die Armen versuchen mit den Billigamphetaminen ihr Schicksal schönzurauchen. Vom Drogenhandel profitieren auch korrupte StaatsdienerInnen, die ihre Hand aufhalten und Verbrecher schützen.
Seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Rodrigo Duterte im Juni soll Schluss damit sein. Mit seiner Vision einer drogenfreien Gesellschaft gewann er erdrutschartig die Wahl. Duterte war ein Underdog aus dem vernachlässigten Süden der Philippinen, jahrzehntelang Bürgermeister der Stadt Davao auf der Insel Mindanao, auf der Todesschwadronen mehr als tausend Kleinkriminelle, Strassenkinder und DealerInnen mit Dutertes Duldung getötet haben sollen.
«Tötet sie alle und beendet das Problem», befahl der Siebzigjährige den PolizistInnen und versprach, 100 000 Leichen in die Bucht von Manila werfen zu lassen. In dem von Korruption, Machtmissbrauch und Verbrechen gebeutelten Inselstaat, in dem die Eliten sich schamlos bereichern und die Armen vom Wirtschaftswachstum so gut wie ausgeschlossen sind, kam dies gut an. Viele verehren Duterte wie einen Messias. Sie nennen ihn Duterte Harry, nach «Dirty Harry», dem schiesswütigen Polizisten in einem US-Thriller.
Die Wahl Dutertes ist ein Denkzettel der Zornigen und Enttäuschten für die Oligarchie, die seit Jahrzehnten das Volk mit leeren Wahlversprechen belügt, sich schamlos bereichert, Steuergelder in die eigenen Taschen stopft und in einem System völliger Straflosigkeit keinerlei Konsequenzen fürchten muss. Die derzeitigen Menschenrechtsverletzungen, die täglichen Morde, die Quasi- Abschaffung des Rechtsstaats werden von der Mehrzahl der 102 Millionen BürgerInnen nicht befürwortet, aber hingenommen. Inzwischen wird auch laut über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert.
Seit dem Befehl des Präsidenten, die Philippinen innerhalb von drei bis sechs Monaten drogenfrei zu bekommen, ist ein brutaler Krieg entflammt, der täglich Dutzende neuer Opfer fordert. Die bisherige Bilanz: Über 4800 Tote seit Ende Juni. Davon wurden mehr als tausend Menschen bei Anti-Drogen- Einsätzen von Polizisten getötet, die übrigen von unbekannten Killern. Die meisten davon Kleindealer. Der Grossteil von ihnen wurde in Polizeirazzien getötet, die nach dem immer gleichen Muster ablaufen: Zivilfahnder stürmen eine vermeintliche Drogenhöhle und am Ende liegen mehrere Männer von Kugeln durchsiebt am Boden. Die Opfer hätten sie mit einer Waffe bedroht, erklären die Beamten jedes Mal. Als Beweis präsentiert die Polizei anschliessend Fotos, auf denen die Toten mit einer Pistole abgebildet sind, daneben Tütchen mit Crystal Meth. Überprüfen kann das niemand. Menschenrechte gelten nichts mehr, kritische Stimmen unterbrach Duterte mit der Frage: «Sind Drogenabhängige Menschen? Was ist eure Definition eines menschlichen Wesens? Sagt es mir.»