Im Gefängnis von Foshan teilen sich 50 bis 70 Frauen eine Zelle von 80 Quadratmetern, die Schlafplätze sind maximal 50 Zentimeter breit. Wegen der schlechten hygienischen Verhältnisse leidet die Menschenrechtsaktivistin Su Changlan immer wieder unter Ekzemen, die eher schlecht als recht behandelt werden. Schliesslich kommen Herzrhythmusstörungen dazu. Aber auch hierfür erhält Su keine adäquate medizinische Versorgung. Es gibt kein Besuchsrecht für die Familie, auch den Anwalt kann Su nur selten sehen.
«Subversives Verhalten»
Nach mehr als zwei Jahren Untersuchungshaft erhält Su Changlan im März 2017 eine Haftstrafe von drei Jahren wegen «Anstiftung zu subversivem Verhalten gegen die Staatsmacht». Sie hatte sich im Internet solidarisch mit der Regenschirmbewegung in Hongkong erklärt, die mehr Demokratie fordert. Da ist Su bereits eine bekannte Frauenrechtsaktivistin. Die ehemalige Grundschullehrerin wurde schon mehrmals wegen ihrer friedlichen Arbeit für kürzere Zeit festgenommen, die Online-Solidarisierung kostet sie nun aber die Freiheit für mehrere Jahre. Und die Gesundheit.Nach ihrer Verhaftung im Oktober 2014 weiss die Familie lange nicht, wo sich Su befindet. Ihrem Mann, der sie im Gefängnis vermutet, wird fälschlicherweise angegeben, sie sei nicht dort. Erst als er und ihr Bruder vor der Polizeistation zu demonstrieren beginnen – wofür die beiden einen Monat lang inhaftiert werden –, kann nach sechs Monaten endlich ein Anwalt Su besuchen.
«Ich traf Su Changlan zum ersten Mal 2005», erzählt Sus Freundin Maggie Hou Wenzhuo. «Ich arbeitete damals für eine Menschenrechtsinstitution, die sich für Bäuerinnen und Bauern einsetzt, deren Land konfisziert wurde», erinnert sich Maggie Hou Wenzhuo, die mittlerweile China verlassen musste. In vielen Dörfern in der Provinz Guangdong kam es zu Landraub, auch in Sus Dorf Sanshan. «Als die Polizei in Sus Dorf kam, beschlossen die Dorfbewohner, Vertreter zu uns nach Peking zu senden und um Hilfe zu bitten. Darunter war Su, und so kam es, dass ich sie kennenlernte.»
«Su wusste wenig über die Rechte von Bäuerinnen und Bauern, aber sie war begierig zu lernen und mit Anwälten und Aktivistinnen zusammenzuarbeiten.» Sie brachte sich selber die Rechtsgrundlagen bei und gründete eine Hilfsorganisation für Enteignete, für die sie auch vor Gericht zog. Immer häufiger vertrat sie im Gerichtssaal Frauen, die durch die Eheschliessung ihre Landrechte verloren hatten.
Das Risiko akzeptieren
Mit den Jahren engagierte sich Su immer stärker für Frauen und Mädchen, die Opfer von Menschenhandel geworden waren. Mit Aktivistinnen und Aktivisten begann sie, Misshandlung von Frauen zu thematisieren. Oft fanden die Versammlungen bei ihr zu Hause statt. «Sie wusste um das Risiko, die Freiheit zu verlieren», so Maggie Hou Wenhou. «Obwohl sie ein Kind hat, wollte sie China aber nie verlassen, wegen all der Menschen, um die sie sich kümmerte. Ihr Mann unterstützte sie stets, ebenso ihr Bruder.»
Im März 2017 wurde Su Changlan mit dem Cao Shunli Memorial Preis für Menschenrechtsverteidiger ausgezeichnet. Dieser wird von drei chinesischen Menschenrechtsorganisationen verliehen und erinnert an die Aktivistin Cao Shunli. Cao Shunli verstarb nach fünf Monaten im Gefängnis unter ähnlichen Haftbedingungen, wie sie Su nun ertragen muss. Hoffentlich ergeht es Su Changlan besser als Cao Shunli und sie kommt bald frei.