Ein paar Quadratmeter Kneipe in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa, eine schmale Nische Leben in der drückenden Nacht: Fragmente von Gesprächen über Liebe und Kummer, Betrunkene torkeln, Frauen wählen ihre Liebhaber – über allem liegt die rhythmische Musik der Band und die kräftige Stimme der Sängerin Félicité. Im gleichnamigen Film von Alain Gomis bringt sie die Menschen bei Nacht zum Tanzen. Die Tage hingegen sind trist und träge, die Stadt von der Sonne bleich, Félicité stolz und allein.
Bis ihr Sohn Samo einen Motorradunfall hat und dringend operiert werden muss. Ohne Anzahlung keine OP. «Hast du kein Geld, dann habe Freunde», lautet der trockene Kommentar ihres Kollegen. Félicité hat keins von beiden und beginnt eine Tour durch die Stadt, um Geld bei alten Bekannten, Schuldnern und reichen Fremden einzutreiben. Mal zu Fuss, mal auf dem Roller, stets ohne jegliche Gefühlsregung. Félicité fordert, insistiert, zieht weiter, ohne ihre stoische Ruhe zu verlieren.
Die Schauspielerin Véro Tshanda Beya spielt ihre Figur eine ganze Stunde lang ohne ein einziges Lächeln.
Immer wieder die Musik
Die Theaterschauspielerin und Sängerin Véro Tshanda Beya spielt ihre Figur eine ganze Stunde lang ohne ein einziges Lächeln. Das entlockt ihr erst der Trunkenbold und Kneipenstammgast Tabu, der den ewig kaputten Kühlschrank in ihrer Küche reparieren soll und ihr hin und wieder Liebesgedichte vorträgt. Als Sohn Samo aus dem Krankenhaus zurückkommt, ist es Tabu, der die Resignation des Jungen durchbricht, und für einen kurzen Moment scheint die Dreierkonstellation eine Zukunft zu haben.
Der Film «Félicité» des französischsenegalesischen Regisseurs Alain Gomis bietet sehr wenig von der im Titel erwähnten Glückseligkeit. Die Momente des Glücks sind flüchtig. Vollkommen ist eigentlich nichts im Leben der Protagonistin – aber es gibt Dinge, die funktionieren: eine dezente Liebesgeschichte, die feucht-fröhliche Rückkehr Samos aus dem Krankenhaus und jede Nacht die Musik, die Stimmung in der Kneipe. Immer wieder wird die Handlung unterbrochen vom Kinshasa Symphony Orchestra, das die Handlung wie der Chor im antiken Drama beobachtet und kommentiert. Die schnellen Rhythmen der Kneipenband wechseln sich mit den Geigen des Orchesters ab, die Realität des Films mit traumartigen, melancholischen Sequenzen: Félicité bei völliger Dunkelheit im Wald, im See, mit einem Okapi. Wenn auch – nicht nur optisch – unklar, stricken diese lautlosen Traumsequenzen zusammen mit den mal atemlosen, mal trägen Szenen des Films einen dichten, atmosphärischen Einblick in den Alltag einer Millionenstadt. Bei der Berlinale wurde Gomis’ vierter Spielfilm mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet.