Noëmi Landolts Schilderungen über ihre Erlebnisse auf dem Rettungsschiff berühren. Der persönliche Stil des Textes zieht die Leserin mitten hinein in die humanitäre Katastrophe, die tagtäglich auf dem Mittelmeer stattfindet. KritikerInnen von solchen Rettungseinsätzen möchte man das Buch am liebsten als Zwangslektüre verordnen.
Im Interview spricht Noëmi Landolt über die Entstehung des Buches und wie es ihr seit ihrem Einsatz im Mittelmeer damit ergangen ist.
AMNESTY: Wie kam es zu Ihrem Einsatz auf der Sea Watch 2?
Noëmi Landolt: Ich arbeite schon länger zur Thematik der Migration nach Europa. Ich war zuvor nach Ungarn, Kroatien und Idomeni gereist, der Einsatz auf einem Rettungsschiff an der Aussengrenze auf dem Mittelmeer war quasi eine Fortführung dieser Arbeit. Da das Schiff über Internet verfügt, konnte ich einen Blog schreiben, der direkt ins Web gestellt wurde. Das Schreiben brauchte allerdings einiges an Überwindung, da ich meist extrem erschöpft war. Gleichzeitig half es beim Verdauen des Erlebten.
«beim Vorlesen habe ich seltsamerweise immer einen Kloss im Hals.»
Sie haben auf dem Schiff viel Schlimmes erlebt. Wie gehen Sie heute damit um?
Am Anfang hatte ich sehr Mühe und kämpfte mit Schlafproblemen. Es beschäftigt mich immer noch, zum Beispiel als ich an Ostern hörte, dass zwei zivile Rettungsschiffe so sehr überladen waren, dass sie selber in Seenot gerieten. Und wenn ich daran denke, wie viele Flüchtlingsboote nun auch im Winter in See gestochen waren; da stelle ich mir die Rettungsaktionen in der Nacht bei strömendem Regen vor. Dass die Situation noch schlimmer werden könnte, konnte ich mir damals überhaupt nicht vorstellen.
War es schwierig, für das Buch die Texte zu bearbeiten und sich dabei an die tragischen Szenen wieder zu erinnern?
Es fiel mir sehr schwer, obwohl ich kaum etwas redigierte. Die Texte sollten ja in diesem unmittelbaren Blogstil bleiben. An Veranstaltungen kann ich zwar gut über die Ereignisse auf der Sea Watch erzählen. Aber beim Vorlesen habe ich seltsamerweise immer einen Kloss im Hals.
Würden Sie nochmals einen solchen Einsatz machen?
Alle anderen Crew-Mitglieder, die von Bord gingen, sagten damals, dass sie noch einmal mitgehen möchten. Und viele taten dies schon, zum Teil auch auf anderen Schiffen, was ich sehr bewundere. Ich habe aber schnell gewusst, dass ich das eher nicht mehr mache, ausser wenn sie dringend Freiwillige brauchen. Es war gut, dass ich mit dem Blog viele Leute berühren konnte. Aber ich bin einfach eine Landratte, eigentlich war ich ja die ganze Zeit seekrank. Ich denke, dass ich meine Fähigkeiten doch besser auf dem Land einsetzen kann.