Der Journalist Peter Düggeli. Zeichnung: Susann Stefanizen.
Der Journalist Peter Düggeli. Zeichnung: Susann Stefanizen.

MAGAZIN AMNESTY Carte Blanche Wenn vieles untergeht....

Von Peter Düggeli. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von Juni 2017.
Seit seiner Wahl dominiert Donald Trump die Schlagzeilen. Und damit auch die Arbeit des SRF-Korrespondenten in Washington.

Logisch, Donald Trump ist wichtig, als «leader of the free world», wie man hier in den USA pathetisch sagt. Und ja, er ist aussergewöhnlich, einige sagen unberechenbar, andere erkennen in ihm einen krankhaften Egomanen. Und noch mal ja, er hat in den ersten fünf Monaten für unzählige Paukenschläge gesorgt.

Dazu kommt: Ein Sonderermittler untersucht mutmassliche Kontakte seines Wahlkampf-Teams mit Russland, und ermittelt wohl auch, ob Donald Trump die Justiz behindert hat.

Geschichten, die normalerweise tagelang die Schlagzeilen dominieren würden, verkommen zu Randnotizen.

All das ist viel, es ist gravierend, phasenweise intensiv und teilweise «breathtaking». Viele Amerikaner wissen nicht mehr so recht, wo ihnen der Kopf steht. Sind erleichtert, wenn statt Politik Barbecue ansteht, das Baseball-Game oder die High-School-Graduation. Aber all das ist eben nicht alles. Es überdeckt so vieles. Geschichten, die normalerweise tagelang die Schlagzeilen dominieren würden, verkommen zu Randnotizen, wenn überhaupt. Amerikanische Journalistenkollegen bestätigen meinen Eindruck: Oft fehlen in diesen Tagen die Ressourcen, um ihre Rolle als vierte Gewalt im Staat wahrzunehmen, so viel gibt es gleichzeitig abzudecken. Oft fehlt schlicht die Zeit, Regierung und Parlament zur Rechenschaft zu ziehen für das, was sie tun, und für das, was sie nicht tun.

Ein Beispiel: Amerikas Strafsystem ist kaputt. Seit 1980 hat sich die Zahl der US-Häftlinge vervierfacht. Viele Häftlinge «sitzen» für relativ kleine Drogenvergehen jahrelang. Die Amerikaner machen 5 Prozent der Weltbevölkerung aus. Aber 25 Prozent der Inhaftierten weltweit sind in den USA hinter Gittern. Gegen Ende der Obama-Ära zeichnete sich eine Koalition von finanzkonservativen Republikanern und reformwilligen Demokraten ab, die das System grundsätzlich reformieren wollten. Das scheint ins Stottern geraten zu sein – genauso wie die kritische Berichterstattung darüber.

Ein anderes Beispiel: Seit 2009 hat das Justizdepartement 25 Untersuchungen gegen lokale Polizeibehörden aufgenommen. Einige brachten ernüchternde Fakten zu Tage, zum Beispiel in der Stadt Baltimore, wo systematischer Rassismus der Polizei nachgewiesen wurde. Der neue Justizminister Jeff Sessions will solche Ermittlungen wenn nicht ganz abschaffen, so zumindest massiv zurückfahren.

Ein weiteres Thema: Immigration und Präsident Trumps mutmasslich hartes Vorgehen gegen illegale Immigranten. Ist es wirklich extremer als das, was Obama gemacht hat? Der Ex-Präsident verfolgte ja auch einen harten Kurs. Dem einen oder anderen will ich nachgehen, trotz Russia-Gate und Twitter-News. Aber erstmal: Ferien in der Schweiz.