Jemand erleidet eine Amnesie: Normalerweise ist das ein beliebter Kniff in TV-Seifenopern. Im Kriminalroman «13 Stufen» eröffnet ein solcher Gedächtnisverlust aber ganz neue Fragen. Fragen nach Leben und Tod. Denn der Gefangene Ryo Kihara kann sich nicht an den Doppelmord erinnern, der ihm zur Last gelegt wird. Folglich kann er die Tat auch nicht bereuen. Und wegen dieser mangelnden Reue wird Kihara nicht zu einer lebenslänglichen Strafe, sondern zum Tod verurteilt. Doch ein unbekannter Auftraggeber will verhindern, dass der junge Mann gehängt wird. Er beauftragt über einen Anwalt ein Amateur-Ermittlerduo: den Gefängniswärter Nango, einen sanftmütigen Mann in den besten Jahren, und den ehemaligen Häftling Jun’ichi, der selbst einen Mann getötet hat und gerade auf Bewährung freigekommen ist. Sie sollen die Unschuld des Verurteilten beweisen. Die Zeit dafür ist knapp, denn Kihara droht jederzeit der Strang.
Tatsächlich finden Hinrichtungen in Japan meistens im Geheimen statt. Den Verurteilten wird erst einige Stunden vor der Exekution oder gar nicht mitgeteilt, dass sie nun hingerichtet werden. Gefangene im Todestrakt, die bereits alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben, müssen also täglich mit der Hinrichtung rechnen. Neben den USA ist Japan der letzte demokratische Industriestaat, der die Todesstrafe anwendet.
Überraschende Wendungen
Dem schweren Thema zum Trotz: «13 Stufen» ist gute Unterhaltung. Die Geschichte entwickelt Sogwirkung, die beiden Ermittler gewinnen rasch an Kontur. Die überraschenden Wendungen erscheinen glaubwürdig, auch wenn die facettenreiche Handlung von den Leserinnen und Lesern einige Energie erfordert, wollen sie den Überblick behalten. Neben der Krimiebene webt Autor Kazuaki Takano geradezu philosophische Fragen in sein Werk ein. Wie jene nach der eingangs erwähnten Reue, nach Rache, Familienbanden und dem Sinn der Todesstrafe. Diese Ausführungen wirken an den meisten Stellen nicht belehrend oder dogmatisch, sondern regen sanft zum Nachdenken an.