Am Schluss steht die ganze Schule hinter Simon (2. v. l.). © Ben Rothstein / Twentieth Century Fox / Everett
Am Schluss steht die ganze Schule hinter Simon (2. v. l.). © Ben Rothstein / Twentieth Century Fox / Everett

MAGAZIN AMNESTY Kultur Hollywoods erste schwule Teenie-Romanze

Von Ralf Kaminski. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom Juni 2018.
Mit «Love, Simon» hat zum ersten Mal ein grosses Hollywood-Studio eine schwule Coming-out-Geschichte für das Mainstream-Publikum produziert. In den USA war der Film ein Kassenerfolg. Aber ist er auch ein Fortschritt für die LGBTI-Community?

Highschool-Filme gehören zum US-Mainstream- Kino wie Romanzen, Komödien und Fantasy. Es gibt sie in zahllosen Variationen, darunter viele seichte Komödien rund ums «erste Mal», aber auch ein paar gelungene Dramen. Etwas jedoch gab es noch nie: einen schwulen Helden im Mittelpunkt.

Diese Premiere liefert nun das Filmstudio 20th Century Fox mit «Love, Simon », der Filmadaption des Romans «Simon vs. the Homo Sapiens Agenda» von Becky Albertelli. Simon ist ein ganz normaler Teenager, hat jedoch ein Geheimnis, das er noch nie jemandem anvertraut hat: Er ist schwul. Als sich ein anderer Jugendlicher an seiner Schule anonym auf Social Media outet, meldet er sich bei ihm, ebenso anonym – und fängt an, sich von Mail zu Mail mehr in ihn zu verlieben. Nur, wer könnte es bloss sein?

Gemeinsam mit Simon spekuliert das Publikum fleissig mit und wird Zeuge seines immer weiter gehenden Comingouts, auch wenn dieses beim ersten Mal noch unfreiwillig passiert. Natürlich hat die Geschichte ein Happy End, und es wäre kein US-Mainstream-Film, wenn nicht bis zum Schluss die ganze Schule hinter Simon stehen würde.

Dramaturgisch clever

Wer selbst schwul ist, hat schon zahllose solcher Filme gesehen, im Indie- und Arthouse- Kino – und oft weniger weichgespült, mit komplizierter verlaufenden Coming-outs. Neu hier ist das Zielpublikum: «Love, Simon» richtet sich eben auch an Teenager und Eltern, die mit dem Thema sonst nichts am Hut haben. Und fängt sie dramaturgisch clever ein, sodass sie gar nicht anders können, als mit Simon mitzufiebern. So etwas wäre noch vor ein paar Jahren tatsächlich undenkbar gewesen im Hollywood- Kino. Auch wenn viele TV-Serien schon längst weiter sind und Figuren aus der LGBTI-Gemeinschaft (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transmenschen, Intergeschlechtliche) mit wachsender Selbstverständlichkeit in ihre Handlungen einbauen.

Einer dieser Serienpioniere ist der Brite Russell T. Davies, der 1999 mit «Queer as Folk» queere TV-Geschichte geschrieben hat. Er lobte den Regisseur von «Love, Simon» kürzlich im «Guardian»: «Greg Berlanti hat im Fernsehen schon eine Unzahl schwuler Handlungsstränge inszeniert. Es ist ein grossartiger Erfolg, dass es ihm gelungen ist, diesen Film nun in die Multiplexkinos zu bringen.» Davies glaubt allerdings, dass es dennoch schwierig bleibt, LGBTI-Hauptfiguren in Mainstreamfilmen unterzubringen. «Am Ende geht es immer ums Geld, und je teurer eine Produktion ist, desto mehr Leute haben Angst, dass ein schwuler Held das Kinopublikum abschreckt.»

Von daher: Ja, «Love, Simon» ist ein Fortschritt, ein weiterer von vielen kleinen Schritten hin zu einer grösseren Selbstverständlichkeit. Wenn es solche Teenie-Filme im Multiplex-Kino dereinst auch mit schwarzen Lesben und muslimischen Transfrauen gibt, dann nähern wir uns dem Ziel. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.