Graffiti von Jadore Tong, Foto: Sarah Eick
Graffiti von Jadore Tong, Foto: Sarah Eick

MAGAZIN AMNESTY Jugendliche Was besser werden muss

Von Manuela Reimann Graf und Carole Scheidegger. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von Dezember 2019.
Kinder und Jugendliche verdienen besonderen Schutz. Leider widerfährt gerade ihnen oft Unrecht, und sie sind von manchen Menschenrechtsverletzungen besonders betroffen. Fünf Fakten zu Missständen, die sich schleunigst ändern sollten.
Armut und Arbeitslosigkeit

Zahlen gemäss dem Index der mehrdimensionalen Armut des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, 2019. Der Index erhebt verschiedene Dimensionen von Armut in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Lebensstandard.

Junge Menschen sind von Armut besonders stark betroffen: Die Hälfte aller Menschen weltweit, die in mehrdimensionaler Armut leben, ist unter 18 Jahre alt. Das entspricht mehr als 600 Millionen Menschen, wie das Entwicklungsprogramm der Uno festhält. Die Folgen davon sind, dass Jugendliche ungenügend ernährt oder schlecht ausgebildet sind. 621 Millionen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren waren 2015 nicht in Ausbildung oder angestellt.  ie Arbeitslosenrate bei Jugendlichen lag vergangenes Jahr gemäss der Internationalen Arbeitsorganisation  (ILO) bei 13,1 Prozent – sie ist damit viel höher als bei Erwachsenen.

Jugendliche in Haft

Inhaftierungen pro 100'0000 Jugendliche in der Bevölkerung 2010. Quelle: Vincent Schiraldi u.a.: The Future of Youth Justice: A Communitiy-Based Alternative to the Youth Prison Model, 2016

Minderjährige dürfen laut der Kinderrechtskonvention nur «als letztes Mittel» in Haft genommen werden. Trotzdem sind gemäss einer Uno-Studie mindestens 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche ihrer Freiheit beraubt. Die Haftbedingungen sind oft erbärmlich. Häufig werden Kinder zusammen mit Erwachsenen eingesperrt statt in separaten Einrichtungen für Minderjährige. Viele Jugendliche, die ihrer Freiheit beraubt sind, haben keine Straftat begangen. Sie sitzen zum Beispiel hinter Gittern, weil ein Elternteil verurteilt wurde. Oder es kommt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten oder Migration zum Freiheitsentzug. Auch in der Schweiz wehrt
sich Amnesty International dagegen, dass Kinder und Jugendliche eingesperrt werden, nachdem sie einen negativen Asylentscheid erhalten haben und weggewiesen werden sollen. Hierzulande können 15- bis 18-Jährige in solchen Fällen in Administrativhaft genommen werden, und auch unter 15-Jährige sind zusammen mit ihren Familien im Gefängnis.


Todesstrafe

Hinrichtungen von Minderjährigen seit 1990 Ohne China, da China keine Zahlen über seine Hinrichtungen veröffentlicht. Bis 2004 weiss Amnesty von 2 Hinrichtungen. Südsudan erlangte 2011 die Unabhängigkeit vom Sudan. Quelle: Amnesty International

Im April dieses Jahres wurden im Iran zwei 17-Jährige im Geheimen ausgepeitscht und danach hingerichtet. In Saudi-Arabien droht drei jungen Schiiten, die als Minderjährige verhaftet wurden, ebenfalls die Hinrichtung. Dabei sind Todesurteile und die Anwendung der Todesstrafe bei Minderjährigen und bei Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, nach internationalem Recht verboten. Trotzdem wurden gemäss Informationen von Amnesty International seit 1990 145 Minderjährige in 9 Ländern hingerichtet: China, Demokratische Republik Kongo, Iran, Nigeria, Pakistan, Saudi-Arabien, Sudan/Südsudan, USA und Jemen (Stand April 2019). Einige dieser Länder haben ihre Gesetze mittlerweile geändert.


Kinderheirat

Die Unicef prognostiziert einen deutlichen Rückgang der Kinderheiraten bis 2030 – er wird jedoch nicht in allen Regionen gleich deutlich ausfallen.

Noch nicht erwachsen – und schon verheiratet: Kinderehen sind in vielen Ländern noch weit verbreitet, so vor allem  in Südasien und in Afrika. Fast die Hälfte (45 %) aller Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren in Südasien gaben an, vor  dem 18. Lebensjahr verheiratet worden zu sein, fast jedes fünfte Mädchen (17 %) wurde vor dem 15. Lebensjahr  verheiratet. Weltweit waren im Juni 2019 etwa 765 Millionen Menschen von Kinderehen betroffen, rund 650  Millionen Mädchen und junge Frauen und rund 115 Millionen Jungen. Erfreulicherweise geht die Zahl der  Kinderehen weltweit zurück. In den letzten zehn Jahren sank die Zahl gemäss Unicef um 15 Prozent.


Kindersoldaten und -soldatinnen

KindersoldatInnen

Viele Minderjährige werden direkt in Konflikte verwickelt, ja sogar zu «TäterInnen» gemacht, indem man sie als  Soldatinnen und Soldaten rekrutiert. Minderjährige werden von den Kombattanten aber nicht nur zum Kämpfen  eingesetzt, sondern zum Beispiel auch als Späher, Koch, Trägerin, oder sie werden sexuell missbraucht. Weltweit  sind nach Schätzungen von Unicef rund 250'000 Kinder und Jugendliche in bewaffneten Konflikten im Einsatz.  Niemand weiss allerdings, wie viele Kindersoldatinnen und Kindersoldaten es weltweit tatsächlich gibt. Die  Zwangsrekrutierung und die Beteiligung von Minderjährigen an Kampfhandlungen sind eine Verletzung von  Kinderrechten, bei Kindern unter 15 Jahren gelten sie sogar als Kriegsverbrechen. Aber es gibt auch Fortschritte:  Rund 65'000 ehemalige KindersoldatInnen konnten in den vergangenen 10 Jahren befreit werden.