Die unnachgiebige Autorin
Ein Roman und die Liebe zu einem Menschenrechtler brachten sie ins Gefängnis: Die iranische Autorin Golrokh Ebrahimi Iraee hatte es gewagt, in einem fiktiven und unveröffentlichten Roman die Steinigung von Frauen zu kritisieren. Der Text wurde entdeckt, als 2014 wieder einmal Sicherheitskräfte ihr Haus durchsuchten. Sie hatten es erneut auf ihren Ehemann Arash Sadeghi – einen bekannten Bürgerrechtler – abgesehen. Aresh Sadeghi wurde verhaftet und verbüsst seither eine 15-jährige Haftstrafe. Seine Frau wurde 17 Tage lang verhört, gemäss ihren Aussagen musste sie anhören, wie ihr Ehemann nebenan gefoltert wurde, und sie selbst wurde auch gequält.
Golrokh Ebrahimi Iraee wurde wegen «Beleidigung der Heiligtümer» und «Propaganda gegen den Staat» zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, die Strafe musste sie 2016 antreten. Aus Protest gegen ihre Inhaftierung trat ihr inzwischen an Krebs erkrankter Ehemann in den Hungerstreik. Nach 72 Tagen wurde Golrokh Ebrahimi Iraee im Januar 2017 freigelassen, nur um sofort wieder verhaftet zu werden, als sich der Zustand ihres Ehemanns stabilisiert hatte.
Im Gefängnis bekam die Menschenrechtsaktivistin Atena Daemi als Zellengenossin; diese verbüsst eine siebenjährige Haftstrafe, weil sie sich mit den Familien von politischen Gefangenen getroffen und die Islamische Republik auf Facebook kritisierte hatte.
Atena Daemi und Golrokh Ebrahimi Iraee traten 2018 in den Hungerstreik aus Protest gegen ihre Verlegung in ein anderes, berüchtigtes Gefängnis. Im April 2019 wurde Golrokh Ebrahimi Iraee gegen Kaution freigelassen. Doch am 9. November 2019 wurde sie von zehn männlichen Sicherheitskräften in ihrem Haus in Teheran erneut verhaftet: Im Gefängnis hatte sie gemeinsam mit Atena Daemi ein Revolutionslied gesungen und gegen die Hinrichtung von drei kurdischen Dissidenten protestiert. Dies brachte den beiden Frauen erneute 3 Jahre und 7 Monate Gefängnis ein.
Blasphemie bedeutet Tod
Der Blogger Mohamed Cheikh Ould Mkhaïtir stammt aus der Kaste der Moulamines, der Schmiede-Kaste, die in der mauretanischen Gesellschaft weiterhin geringgeschätzt wird. In einem Artikel wagte es Mkhaïtir zu kritisieren, dass die Oberschicht des westafrikanischen Landes Geschichten aus dem Leben des Propheten Mohammed verwendet, um die Versklavung von Menschen, die von Handwerkern abstammen, zu rechtfertigen. Nach der Veröffentlichung des Artikels in den sozialen Medien fanden im ganzen Land Massenproteste statt, die die Hinrichtung von Mkhaïtir wegen Blasphemie forderten. Der Präsident kommentierte diese Menschenaufläufe wohlwollend.
Obwohl sich Mkhaïtir öffentlich für die Verletzung religiöser Gefühle entschuldigte, wurde er im Dezember 2014 wegen «Apostasie» und «Beleidigung des Propheten» zum Tod verurteilt. Doch dann, im November 2017, wurde die Strafe in eine zweijährige Haftstrafe umgewandelt, die er somit längst verbüsst hatte. Dennoch behielten die Behörden ihn noch weitere zwei Jahre in Haft.
Wehe denen, die Duterte kritisieren
Sie ist eine der bekanntesten Journalistinnen der Philippinen. Maria Ressa, aufgewachsen im südostasiatischen Inselstaat und in den USA, arbeitet seit den 1980er- Jahren im Nachrichtengeschäft. Zuerst berichtete sie aus den Philippinen für grosse US-amerikanische Zeitungen und für TV-Stationen wie CNN. 2012 gründete sie zusammen mit drei Kolleginnen das Online-Nachrichtenportal Rappler – eines der wichtigsten News-Portale in den Philippinen, das diverse lokale und internationale Preise erhielt. Das Portal hat sich auch als Faktenprüfer für Facebook- Beiträge in den Philippinen einen Namen gemacht. Die RedaktorInnen demaskierten auf Rappler die Trolle der Re- gierung und widerlegten deren Fake News.
Für ihre investigativen Berichte erhielt Maria Ressa selbst ebenfalls diverse journalistische Auszeichnungen. Im Dezember 2018 ehrte sie das «Time Magazine» als Person des Jahres, «als Wächterin im Krieg gegen die Wahrheit». Doch längst hatten sich Rappler und insbesondere Maria Ressa den Groll des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte zugezogen. Insbesondere nach Reportagen, die diverse Fälle von Folter und Tötungen im Rahmen von Dutertes «Kampf gegen die Drogen» untersuchten, geriet das Online-Portal verstärkt unter Druck.
Im März vergangenen Jahres wurde Maria Ressa bereits zum siebten Mal verhaftet, diesmal wegen angeblicher Steuerhinterziehung. Im Falle eines Schuldspruchs drohen der Journalistin bis zu zehn Jahre Haft.
Strafe für ein heikles Thema
Der preisgekrönte sri-lankische Schriftsteller Shakthika Sathkumara erschien am 1. April 2019 auf einer Polizeiwache und wurde sogleich festgenommen. Er wollte zu einer Beschwerde aussagen: Buddhistische Mönche hatten Klage gegen Sathkumara eingereicht wegen der indirekten Hinweise auf Homosexualität und Kindesmissbrauch innerhalb des buddhistischen Klerus in seiner Geschichte «Ardha». In dieser Geschichte thematisierte der Autor das gesellschaftliche Tabu des Kindesmissbrauchs, das weder die Regierung noch die Medien angehen wollen, das aber laut dem früheren Minister für Kinderrechte, Tissa Karaliyadda, in Sri Lanka weit verbreitet sei – und zwar sowohl in buddhistischen als auch in christlichen religiösen Einrichtungen. Sathkumara wurde unter einem Gesetzesparagrafen angeklagt, der sich gegen rassistischen und religiösen Hass richtet. Ausgerechnet dieser Artikel wird nun häufig dafür genutzt, friedlichen AktivistInnen und AutorInnen in Sri Lanka die Rechte auf freie Meinungsäusserung und Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit abzusprechen. Regelmässig verlangen einflussreiche buddhistische Mönche die Festnahme und Strafverfolgung von Personen, von denen sie meinen, dass sie die Religion verunglimpft hätten. Und die Behörden geben dem nach. Sathkumara könnte mit zehn Jahren Haft bestraft werden.