«Ist das noch Journalismus? Oder Sensationsgier?», fragt einer der abgebrühten französischen Reporter, über ein Laptop gebeugt. Er und seine KollegInnen hatten gleichentags in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, das Abschlachten eines Mannes durch eine aufgebrachte Menschenmenge beobachtet. «Verfestigen diese brutalen Nahaufnahmen im Westen nicht vielmehr das Bild der wilden Afrikaner? », fragt ein anderer. Ein Kollege antwortet:«Die Bilder zeigen genau das, was hier passiert.» Und dann stellt einer die Frage, ob die aufgebrachten Einheimischen sich nicht erst durch die anwesenden Kameras zu solchen Taten hätten hinreissen lassen. Es gibt keine Antwort.
Die Bilder, die die Reporter betrachten, sind die Fotos von Camille Lepage, einer jungen Fotojournalistin aus Frankreich, die damit ihre «Feuertaufe» überstanden hat. Sichtlich geschockt vom Geschehen, hat sie «ihren Job gemacht» und festgehalten, wie grausam der beginnende Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Re publik bereits ist. Im Film erfahren wir wenig über diesen Konflikt in den Jahren 2013/14, der Tausende Tote und eine Million Vertriebene verursachte. Die Verstrickung Frankreichs, die Hilflosigkeit der westlichen Militärintervention, das Desinteresse der Welt gegenüber Afrika generell – darum geht es nur am Rande. Es ist kein Dokumentarfilm, der die Hintergründe dieses Bürgerkriegs erklärt, sondern ein Spielfilm, der von Camille und ihrer Leidenschaft für ihren Beruf, aber auch für Zentralafrika erzählt.
Regisseur Boris Lojkine liefert damit eine Hommage an die junge Frau, die schliesslich 2014 in einem Hinterhalt getötet wird. Ohne jemanden zu kennen, kommt sie ein Jahr zuvor in das Land und findet mit ihrer anfänglichen Naivität und viel Empathie rasch den Zugang zu einer Gruppe Studierender. Sie begleitet einige der neuen Freunde auch dann noch, als diese zu Kämpfern werden. Bald ist sie mitten drin im Krieg, geht immer grössere Risiken ein. Die Kamera fungiert dabei stets als Trennwand, hinter der sich Camille verbergen kann, gleichzeitig führt sie sie ganz nah an die Porträtierten heran.
Zwiespältige Gefühle
Camille – und mit ihr die Zuschauerin – durchlebt zwiespältige Gefühle, die Widersprüche wachsen. Da ist einerseits der Job, der eine Distanz verlangt, die Camille nicht einhalten will und kann. Da ist ihre Rolle als Weisse, als Französin, in der ehemaligen Kolonie. Das ist die persönliche Sympathie für die Menschen in diesem Konflikt, denen sie in ihrem Idealismus helfen will. Da ist auch das Erschrecken darüber, zu wie viel Feindseligkeit und Gewalt Menschen fähig werden. «Was mache ich hier eigentlich?», fragt sich Camille schliesslich in einem Moment des Zweifels selbst. Der Darstellerin von Camille, Nina Meurisse, gelingt es, diese wechselnden Gefühle auf ihrem Gesicht zum Sprechen zu bringen. Widersprüchlich sind auch die echten Fotos von Camille Lepage, die passend eingebaut werden: Sie zeigen gleichzeitig Schönheit wie Grausamkeit und die Trauer von Menschen im Krieg.