Die Fallzahlen sind bekannt: Fast stündlich erfährt eine Frau in der Schweiz häusliche Gewalt, eine schmerzhafte, oft sogar lebensbedrohliche Erfahrung. Das sind somit etwa 8000 gemeldete Fälle pro Jahr. Die Journalistin Antje Joel gibt einem dieser 8000 Fälle ein Gesicht: ihr eigenes. Sie schildert die lange Zeit, in der es zu ihrem Alltag gehörte, geprügelt zu werden. Das tut sie schonungslos, sowohl ihren LeserInnen als auch sich selbst gegenüber. In ihren Bericht flicht sie immer wieder Untersuchungen und Forschungsergebnisse ein, zeigt auf, dass ihre Geschichte eine unter vielen ist. Sie geht zurück zum Beginn ihrer ersten Ehe mit einem zehn Jahre älteren Mann, der sie schon bald nach ihrem Kennenlernen peinigt, beschreibt das Leben in der ersten gemeinsamen Wohnung, Schläge, Trennung, Rückkehr, zwei gemeinsame Kinder kommen auf die Welt – auch die Schwangerschaften hindern den Ehemann nicht, Antje Joel zu misshandeln.
Endlich der Ausstieg
Ihre Familie unterstellt ihr, sie habe die Gewalt provoziert, das Umfeld reagiert zurückhaltend, bisweilen spöttisch, zumal sie selbst – zu dem Zeitpunkt noch minderjährig – nicht benennt, was ihr widerfahren ist. Das braucht eine weitere Ehe, über die vergleichsweise wenig geschrieben wird, vier weitere Schwangerschaften, quälende Jahre… Es braucht auch mehr als drei Viertel des Buchs, bis in einer Kapitelüberschrift das Wort «Frauenhaus» auftaucht. Dorthin begibt sich die Autorin, obwohl sie der Überzeugung ist, dass sie gar nicht zur Klientel einer solchen Einrichtung gehöre. Ihr Gegenüber im Frauenhaus versucht auch nicht, sie von etwas anderem zu überzeugen, regt nur an, dass sie über Nacht bleiben soll, um ein erstes Mal die Zwänge, in die sie sich schon so lange fügt, zu verlassen. Es wird nicht ihre einzige Nacht in diesem Frauenhaus bleiben, aber eine gewisse Erleichterung kommt auf, weil endlich ein Prozess angestossen wurde, der es der Autorin schliesslich ermöglicht hatte, aus dem Teufelskreis auszubrechen.