Unterstützungsaktion vor der indischen Botschaft in Berlin 2018, als die Konten der indischen Sektion ebenfalls eingefroren wurden. © Jan Petersmann / Amnesty International
Unterstützungsaktion vor der indischen Botschaft in Berlin 2018, als die Konten der indischen Sektion ebenfalls eingefroren wurden. © Jan Petersmann / Amnesty International

MAGAZIN AMNESTY Brennpunkt Indien Hexenjagd

Von Manuela Reimann Graf. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von Dezember 2020.
Die indische Regierung hat am 10. September 2020 die Bankkonten von Amnesty International in Indien eingefroren. Dies brachte die gesamte Arbeit der Sektion in Indien zum Erliegen, sie musste ihre laufende Kampagnen- und Recherchearbeit unterbrechen und die 140 Mitarbeitenden freistellen.

Behörden werfen Amnesty Indien vor, gegen die verschärften Gesetze zur Finanzierung von Non-Profit-Arbeit mit Auslandsspenden zu verstossen und Geldwäsche zu betreiben. Seit dem Amtsantritt des Premierministers Narendra Modi im Jahr 2014 hat dessen Regierung etlichen Nichtregierungsorganisationen die Erlaubnis entzogen, Spenden aus dem Ausland anzunehmen.

Die indische Amnesty-Sektion sieht sich seit Jahren einer regelrechten Hexenjagd ausgesetzt.

Die indische Amnesty-Sektion sieht sich seit Jahren einer regelrechten Hexenjagd ausgesetzt. Bereits im Oktober 2018 mussten die Mitarbeitenden eine zehnstündige Razzia über sich ergehen lassen, als eine Gruppe von Beamten des Enforcement Directorate (ED), einer dem Finanzministerium unterstellten Ermittlungsbehörde, in die Räumlichkeiten von Amnesty Indien eindrang und die Tore hinter sich verschloss. Auch die Privatwohnung eines Geschäftsführers wurde durchsucht. Unmittelbar nach der Razzia wurden auch damals die Bankkonten eingefroren, und die Organisation sah sich gezwungen, einen Teil ihrer MitarbeiterInnen zu entlassen.

Noch während der laufenden Ermittlungen und bevor Anklage erhoben wurde, startete die indische Regierung damals eine Verleumdungskampagne, indem beispielsweise regierungsnahen Medien aus dem Zusammenhang gerissene Ausschnitte beschlagnahmter Dokumente zugespielt wurden. Einen Monat später wurden die Konten der Organisation teilweise, jedoch nur unter strengen Auflagen, wieder zugänglich gemacht. Im November 2019 wurden die Büros der Organisation von unterschiedlichen Behörden erneut durchsucht.

«Die Schikanen gegen Amnesty in den letzten zwei Jahren sind eine Reaktion auf unsere Forderungen nach Transparenz in der Regierung.» Avinash Kumar, Direktor von Amnesty Indien

«Die Schikanen gegen Amnesty in den letzten zwei Jahren sind eine Reaktion auf unsere Forderungen nach Transparenz in der Regierung», sagte Avinash Kumar, Direktor von Amnesty Indien. «Die aktuelle Massnahme ist eine Reaktion auf unsere Berichte über die Unruhen in Delhi und die Situation in Jammu und Kaschmir.» Am 5. August 2020 hatte Amnesty Indien ein Update zur desolaten Menschenrechtssituation in Jammu und Kaschmir veröffentlicht; am Ende desselben Monats erschien ein weiterer Bericht, der von der Polizei begangene Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen in Delhi im Februar 2020 dokumentierte. Bei diesen Unruhen kamen mindestens 50 ZivilistInnen, vorwiegend muslimischen Glaubens, ums Leben. Amnesty International hatte mehr als 50 AugenzeugInnen befragt und Videos von Social- Media-Plattformen analysiert, die die Vorwürfe gegen die Polizei belegen.

Am 30. September verurteilten 15 internationale Menschenrechtsorganisationen das Vorgehen der indischen Regierung gegen Amnesty und sagten zu, lokale MenschenrechtsverteidigerInnen und -organisationen weiterhin zu unterstützen. «Das Vorgehen der Regierung gegen Amnesty Indien ist Teil einer zunehmend repressiven Taktik, kritische Stimmen und Gruppen, die sich für die Förderung, den Schutz und die Verteidigung der Grundrechte einsetzen, auszuschalten », heisst es in einer gemeinsamen Erklärung.