Plötzlich war die Schweiz im Lockdown: Geschäfte blieben geschlossen, der Kulturbetrieb wurde eingestellt, ein Grossteil der Arbeit ins Homeoffice verlagert. Wer konnte, zog sich im vergangenen März ins sichere Zuhause zurück.
Doch nicht alle konnten. Die Fachangestellte Gesundheit Lea Daum ist eine von jenen, die das nicht konnten. Wie alle rund 400 000 Beschäftigen im Gesundheitswesen der Schweiz ist die Mutter einer zweijährigen Tochter systemrelevant, heisst: Ihre Arbeit lässt sich nicht aussetzen, und sie lässt sich nicht aus der Ferne machen. Pflegen bedeutet physische Nähe, das Risiko einer Übertragung des Coronavirus ist entsprechend hoch.
Die Folgen einer Ansteckung erfuhr Lea Daum am eigenen Körper. Sie war eine von mehreren PflegerInnen auf ihrer Station einer psychiatrischen Klinik, die sich im Kontakt mit den PatientInnen mit dem neuartigen Coronavirus infizierten. «Vor allem, weil lange keine ausreichenden Schutzmassnahmen ergriffen wurden», sagt die 30-Jährige. Auch als Mitte April der erste Covid-19-Fall unter den BewohnerInnen auftrat, habe die Klinik weder das Personal noch die PatientInnen durchgehend auf das Virus testen lassen. «Die Leitung hat das Ansteckungsrisiko selbst da noch völlig heruntergespielt.»
So kam es, dass auf Leas Station innert zweier Wochen eine zweite Welle von Ansteckungen ausbrach. Auch die junge Mutter fühlte sich angeschlagen, hatte Kopfschmerzen, Husten – und sollte trotzdem weiterarbeiten. Doch das liess sie sich nicht mehr gefallen. Sie weigerte sich, ohne einen Test seitens der Klinik und die Gewissheit, nicht mit dem Virus infiziert zu sein, weiter PatientInnen zu pflegen. Das Team stand hinter ihr, Lea wurde endlich getestet: positiv. Erst dann konnte sie zuhause bleiben, und erst dann verabschiedete die Klinik ein umfassendes Schutzkonzept.
«Ich bin ein Mensch, der sagt, was ihm nicht passt», erklärt Lea ihren Willen, sich für den Schutz des Pflegepersonals und die Gesundheit ihrer PatientInnen einzusetzen. Personalmangel, fehlendes Material, unbezahlte Überstunden und schlechte Löhne seien im Gesundheitswesen schon lange ein Problem, nicht erst seit der Pandemie. «Und jetzt müssen wir uns auch noch Tag für Tag der Gefahr einer Corona- Ansteckung aussetzen.» Zwar hätten die Missstände in der Pflege für einen kurzen Moment etwas Aufmerksamkeit bekommen, aber geändert habe sich nichts.
«Es sind vor allem Frauen, die in diesem Land die Gesundheitsversorgung sicherstellen – und nebenbei noch den Haushalt und die Kinderbetreuung übernehmen», macht die Pflegerin klar. «Wir haben es verdient, nicht vergessen zu gehen, und wollen echte Wertschätzung für unsere Arbeit. Applaus genügt schon lange nicht mehr.» Was es jetzt endlich brauche, seien vielmehr «ausreichend Personal, gerechte Löhne und Gefahrenzulagen, subventionierte Ausbildungen » und, nicht zuletzt, «Mütter-Schichten»! Also familienfreundliche Arbeitszeiten und Dienste. Dafür setzt sich Lea Daum weiter ein.