SIERRA LEONE Junge Mütter zurück in der Schule
Sierra Leone erlaubt seit 2019 jungen Müttern wieder den Schulbesuch. Der westafrikanische Staat hatte ab 2015 schwangeren Mädchen den Schulbesuch und die Teilnahme an Prüfungen verwehrt. Die Behörden hielten sie für «lernunfähig » und fürchteten einen negativen Einfluss auf andere Schüler*innen. Diese diskriminierende Massnahme betraf nach Angaben der Uno mehr als 14'000 Mädchen. Schwangerschaften bei Teenagern sind in dem Land laut Amnesty International meist das Ergebnis von Vergewaltigungen. Viele Mädchen werden auch schwanger, nachdem sie sich prostituiert haben, um zu überleben.
Amnesty erreichte zusammen mit zwei anderen NGOs, dass das Schulverbot durch eine Klage bei der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas aufgehoben wurde. Amnesty begrüsst diesen Fortschritt, fordert Sierra Leone jedoch auf, Sexualaufklärung zu betreiben und die Kultur der Scham im Zusammenhang mit Kinderschwangerschaften zu beenden. Nach mehreren Interviews hatte die Organisation festgestellt, dass Familien junge Mädchen, die schwanger werden, oft nicht mehr unterstützen und dass sie von Lehrpersonen häufig ausgegrenzt werden.
EL SALVADOR Freilassung von Teodora del Carmen Vásquez
Wegen Mordes wurde Teodora del Carmen Vásquez in El Salvador zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Die junge Frau war bei der Arbeit, als sie plötzlich starke Schmerzen hatte. Sie verlor das Bewusstsein und erlitt eine Fehlgeburt. Die Polizei nahm Teodora wegen Mordverdachts fest, erst danach brachte man sie in ein Krankenhaus. 2008 verurteilte ein Gericht Teodora del Carmen Vásquez wegen «Mordes» zu 30 Jahren Gefängnis. In El Salvador gelten Fehlgeburten als Schwangerschaftsabbrüche. Diese sind generell illegal, auch in Fällen von Vergewaltigung und Inzest und auch wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Amnesty International setzte sich mit Petitionen, Demonstrationen und Briefen für Teodora ein und forderte ausserdem den Justizminister auf, sie freizusprechen und die Verurteilungen aller Frauen, die aufgrund von Schwangerschaftsabbrüchen inhaftiert wurden, aufzuheben. Teodora wurde 2018 entlassen, nachdem sie zehn Jahre hinter Gittern verbracht hatte.
KASACHSTAN Gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
Wegen seiner geistigen Behinderung wurde Vadim Nesterov aus Kasachstan im Jahr 2011, als er 18 Jahre alt wurde, seine Rechtsfähigkeit aberkannt. Ohne die Möglichkeit, selbst über sein Leben zu entscheiden und seine Rechte wahrzunehmen, gab es für ihn nur wenig Hoffnung, je eine Anstellung zu finden oder heiraten zu können. Nach einem Bericht von Amnesty International über seinen Fall und der Intervention des Verbandes der kasachischen Psychoanalytiker* innen wurden Vadim Nesterov seine Rechte schliesslich wieder zugestanden.
SUDAN Ein Flüchtling, der sich für sein Volk einsetzt
Abdul Aziz Muhamat war erst 19 Jahre alt, als er 2013 den Sudan verliess, um dem Krieg zu entkommen. Leider wurde sein Flüchtlingsboot abgefangen, bevor es Australien erreichte. Die Behörden schickten ihn in ein Migrant*innen-Zentrum auf die Insel Manus in Papua-Neuguinea. Mit seinem Handy informierte Abdul mit Sprachnachrichten über die schlechten Bedingungen im Lager und die katastrophalen Folgen von Australiens Migrationspolitik, die Flüchtlinge auf entlegene Inseln verfrachtet. Die Medien begannen, Abduls Geschichte zu veröffentlichen. Amnesty International startete eine Online-Kampagne, um seine Freilassung zu fordern. 2019 erhielt Abdul den Martin- Ennals-Preis, der jedes Jahr von zehn Menschenrechtsorganisationen verliehen wird. Abdul nutzte seine Reise in die Schweiz, um ein Asylgesuch zu stellen, das angenommen wurde. Er lebt heute in Genf und setzt sich für Menschen auf der Flucht ein – unter anderem im Rahmen der Kampagne #evakuierenJETZT, die eine verstärkte Aufnahme von Geflüchteten in Europa fordert.
NIGERIA Minderjähriger vor der Hinrichtung gerettet
Moses Akatugba aus Nigeria wurde des Diebstahls von drei Handys, Geld und Gutscheinen angeklagt. Für diese Verbrechen » wurde der damals erst 16-Jährige zum Tod verurteilt. Der Teenager war 2005 von den nigerianischen Behörden verhaftet worden, als er auf dem Weg zu seiner Tante war. Seine Familie erfuhr von der Verhaftung nur dank eines Strassenverkäufers, der Zeuge des Vorfalls geworden war. Moses Akatugba wurde genötigt, ein unter Folter erzwungenes Geständnis zu unterschreiben. Nach einem unfairen Prozess verurteilte ein Gericht den Schüler zu zehn Jahren Gefängnis. 2013, nach acht Jahren hinter Gittern, wurde Moses ausserdem zum Tod durch den Strang verurteilt. Zusammen mit anderen Organisationen, die in Nigeria aktiv sind, griff Amnesty International den Fall auf und forderte die Behörden auf, das Todesurteil umzuwandeln und die von der Polizei verübten Folterungen zu untersuchen. Aktivist*innen aus der ganzen Welt schlossen sich der Aktion an, indem sie Briefe schrieben und über Facebook und
Twitter massenweise Botschaften an den Gouverneur des nigerianischen Bundesstaats Delta schickten. Moses wurde schliesslich am 28. Mai 2015 begnadigt. Nach seiner Freilassung begann er, sich als Menschenrechtsaktivist zu engagieren und Folteropfern zu helfen.
SYRIEN Ermittlungen bei Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung
«Strike Tracker»: Dieses von Amnesty International 2018 ins Leben gerufene Projekt hatte zum Ziel, die Zerstörung der syrischen Stadt Rakka genau zu erfassen. Eine erste Untersuchung hatte 2017 gezeigt, dass die von den USA angeführte Koalition Bombardierungen durchführt hatte, bei welchen auch Hunderte Zivilpersonen getötet wurden. Auch nach- dem die Militärkoalition schliesslich ihre Verantwortung anerkannt und die Zahl der zivilen Opfer nach oben korrigiert hatte, blieb Amnesty überzeugt, dass dies nur die Spitze des Eisbergs darstellte. Deshalb wurde die Untersuchung fortgesetzt und «Strike Tracker» gegründet: ein partizipatives Datenerfassungstool, das es ermöglicht, das genaue Ausmass der Zerstörungen in Rakka zu erheben. Mehr als 3000 Freiwillige aus 124 Ländern beteiligten sich an der Aktion von Amnesty und analysierten Satellitenbilder, um die Zerstörung von Gebäuden zu dokumentieren und zu datieren – ein wichtiger Schritt zur Gerechtigkeit für die Opfer des syrischen Bürgerkriegs.
Zur interaktiven Website raqqa.amnesty.org