Wieso frieren Frauen im Büro eher als Männer? Und wieso sitzen Schutzmasken bei Frauen nie richtig?
Die Antwort ist einfach: Die Rechte der Hälfte der Bevölkerung werden als Interessen einer Minderheit missverstanden. Die Temperatur in Büros wird anhand des durchschnittlichen körperlichen Wohlbefindens von 40-jährigen Männern eingestellt. Für Frauen, deren Stoffwechselrate signifikant niedriger ist, sind die Räumlichkeiten bis zu 5 Grad zu kalt.
Frauen werden nicht als autonome Wesen wahrgenommen, sondern als «kleine» Männer, als ein Subtyp des Männlichen.
Dass Daten anhand des «Vorbilds» Mann erhoben werden, ist diskriminierend und bringt reale Gefahren mit sich, wie Caroline Criado Perez in ihrem Buch «Unsichtbare Frauen» zeigt. Die Autorin und feministische Aktivistin beschreibt mithilfe zahlreicher Studien und Statistiken, wie Frauen im Alltag und im Beruf, in der Medizin, im öffentlichen Leben und in Krisen übersehen werden. Frauen werden nicht als autonome Wesen wahrgenommen, sondern als «kleine» Männer, als ein Subtyp des Männlichen.
Gerade bei Sicherheitsausrüstungen kann das zum Problem werden. 74 Prozent der Ausrüstungen sind für Männer gemacht, für Frauen werden einfach kleinere Grössen gekauft. Doch schlechtsitzende Sicherheitsausrüstungen können selbst zum Sicherheitsrisiko werden: Zu grosse Kleidung kann in Maschinen hängen bleiben, zu grosse Schuhe können Stolpern auslösen.
Bei einem Autounfall ist das Risiko für Frauen, verletzt zu werden, um 47 Prozent höher als bei einem Mann, weil Crashtests fast nur mit männlichen Dummies durchgeführt werden. Erleidet eine Frau einen Herzinfarkt, wird dieser oft nicht erkannt oder falsch behandelt, weil sie untypische – sprich nicht «männliche» – Symptome aufweist.
Lösungswege für einen Systemwandel
Criado Perez fordert einen Systemwandel und zeigt zahlreiche Lösungswege auf wie dieser erreicht werden könnte. Sie legt dar, dass materielle und immaterielle Kosten massiv reduziert werden könnten, wenn Regierungen präventive Massnahmen gegen sexuelle Gewalt einführen und es Frauen erleichtern würden, sich am bezahlten Arbeitsleben zu beteiligen. Die Autorin argumentiert, dass Frauen weniger vergessen würden, wenn sie in der Forschung, in Unternehmen und in der Politik besser vertreten wären. Würden Frauen in die Entscheidungsfindung einbezogen, wären die Strassen besser beleuchtet, es gäbe mehr Kinderbetreuungseinrichtungen und sicherere öffentliche Verkehrsmittel.
Aber ist der Einbezug der Frauen wirklich genug? Was ist mit der Verantwortung der Männer? Allein mehr Daten zu sammeln und die Frauen zu fragen, was sie wollen, reicht wohl nicht. Eine gleichberechtigte Welt erreichen wir nur, wenn alle Menschen sich verändern. Wenn Männer – wie Criado Perez anführt – erheblich zum Problem der Unsichtbarkeit der Frauen beitragen, dann müssen sie auch Teil der Lösung sein.