Klicken Sie auf Bild für die Fotoreportage aus New York. © Mathias Wasik
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MAGAZIN AMNESTY AMNESTY-Magazin März 2022: Digitalisierung Auf Schritt und Tritt

Von Mathias Wasik (Fotos) und Manuela Reimann Graf (Text). Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom März 2022.
An Überwachungskameras an allen möglichen und unmöglichen Orten haben wir uns längst gewöhnt. Dabei bedeuten sie verbunden mit der Gesichtserkennungstechnologie einen massiven Eingriff in unsere Rechte. Wie weit die Überwachung gehen kann, zeigt ein Projekt in New York.

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Obwohl es immer mehr Beweise dafür gibt, dass die Gesichtserkennungstechnologie gegen die Menschenrechte verstösst, wollte die New Yorker Polizei trotz zahlreicher Anträge keine Daten über deren Einsatz veröffentlichen. Am 4. Mai 2021 startete Amnesty International ein neues Projekt in ihrem «Decoder Program», an dem 2021 Tausende von Freiwilligen teilnahmen. Auf Karten markierten die online- Aktivist*innen 15 280 Überwachungskameras von Kreuzungen in Manhattan, Brooklyn und der Bronx – zusammengenommen befinden sich in den drei Stadtbezirken fast die Hälfte aller Kreuzungen von New York City. Es ist eine riesige Fläche, die fast komplett überwacht wird.

Auf Karten markierten die online- Aktivist*innen 15 280 Überwachungskameras von Kreuzungen in Manhattan, Brooklyn und der Bronx.

In nur drei Wochen leisteten die Freiwilligen 18 841 Arbeitsstunden – mehr als 10 Arbeitsjahre für eine Vollzeit-Forschungsstelle in den USA. Die Teilnehmer*innen erhielten Google-Street-View-Bilder von Orten in der Stadt und wurden gebeten, Kameras zu markieren. Jeweils drei Freiwillige erfassten und analysierten die Geräte, die mit Gesichtserkennungstechnologie verwendet werden können.

Gemäss der Projektkoalition Ban the Scan musste das New York Police Department (NYPD) zugeben, die Gesichtserkennungstechnologie seit 2017 in 22 000 Fällen eingesetzt zu haben. Während das NYPD behauptet, die Technologie werde nur zur Aufklärung schwerster Straftaten eingesetzt, erzählen Nachrichtenberichte eine andere Geschichte: Die Technologie wird auch zur Verfolgung kleinerer Straftaten verwendet, darunter auch das Sprayen von Graffiti oder Ladendiebstahl. Die Überwachungstechnologie ist ausserdem eine Gefahr für die Meinungsäusserungsfreiheit und das Demonstrationsrecht: Im Sommer 2020 wurde die Gesichtserkennung wahrscheinlich zur Identifizierung und Verfolgung eines Teilnehmers einer Black-Lives-Matter-Demonstration eingesetzt, der angeblich einen Polizeibeamten angeschrien hatte.

Verschiedene Organisationen arbeiten nun in ganz New York City zusammen, um ein vollständiges Verbot der Gesichtserkennung in der Stadt zu erreichen. Andere Städte in den USA wie San Francisco, Boston oder Portland haben den Einsatz der Gesichtserkennungstechnik bereits verboten. So darf die Polizei von San Francisco diese Technik nicht mehr nutzen. Die Gefahr, die sie für die Bürgerrechte bedeute, sei grösser als ihr Nutzen, begründete der Stadtrat seinen Beschluss.

Mehr zum Amnesty-Decoders-Projekt: https://decoders.amnesty.org/