Sie sind jung, sie hoffen auf Freiheit, Demokratie und ein Ende der Korruption: Eine Gruppe von Student*innen organisiert 2011 in Syrien Demonstrationen gegen das Regime, dokumentiert das brutale Vorgehen von Assads Schergen und pflegt Verwundete in einer geheimen Krankenstation. Die Held*innen in Omar Youssef Souleimanes Buch sind die energiegeladene Alawitin Josephine, der Bauernsohn Chalil, der sich in sie verliebt, der mutige Taxifahrer Adel und der schwule Romantiker Youssef, der sich in eine Affäre mit dem unpolitischen, sexsüchtigen Kleiderhändler Mohammed stürzt.
Auf einer Kundgebung in der späteren Rebellenhochburg Homs erleben die Aktivist*innen einen kurzen Moment des vollkommenen Glücks. Begleitet von der Revolutionssängerin Sahida, ziehen sie durch die Strassen, Hunderte schliessen sich ihnen an, singen, tanzen, rufen Parolen. Frauen werfen Blumen und Reis von den Balkonen, sogar die Bäume im Park tanzen mit.
Doch die Geheimdienste sind überall. Der Druck auf die Gruppe wächst. Heckenschützen lauern auf den Dächern. Die sunnitische und alawitische Bevölkerung steht dem Geschehen skeptisch gegenüber. An den Demonstrationen sind immer mehr islamistische Fahnen zu sehen, die unverschleierte Josephine wird von Bärtigen zurechtgewiesen, es riecht nach Verrat. Und immer wieder fliesst Blut.
«Der letzte Syrer» ist aber mehr als eine Dokumentation der gescheiterten syrischen Revolution. Souleimane erzählt von der Gedankenwelt und vom Lebensgefühl der jungen Protagonist*innen, ihrem Ausbruch aus religiösen Konventionen und familiärer Enge, ihrer Suche nach Liebe. Er auferlegt sich keine Schranken, weder in den erotischen Szenen noch bei den Schilderungen grausamster Folterungen im berüchtigten Faraa-Falastin-Gefängnis.
Der Roman lebt von scharfen Kontrasten. In die immer schrecklichere Gewalt mischen sich kleine poetische Szenen, in denen man beinahe glaubt, die Zypressen riechen und den Sternenhimmel über Homs sehen zu können. Wenn der angetrunkene Mitläufer Raschid stolpert, entschuldigt er sich bei der Erde, weil er nicht sanft genug aufgetreten sei. Youssef träumt von einem Schmetterling, zur Hälfte schwarz mit gelben Tupfen, zur Hälfte weiss mit braunen Sprenkeln.
Doch am Ende bleibt für die Überlebenden nur das Exil, genau wie für den Autor. Der 1987 nahe Damaskus geborene Omar Youssef Souleimane floh bei Ausbruch des Bürgerkriegs aus Syrien und lebt heute in Frankreich. «Der Traum, in einem Land ohne Gewalt und Diktator zu leben, ist der letzte Syrer», erklärt Souleimane den Titel seines empfehlenswerten Buches.