© André Gottschalk
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MAGAZIN AMNESTY AMNESTY-Magazin Juni 2022: Carte blanche Qualitäten des Herzens

Von Didier Burkhalter. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom Juni 2022.
Die schönste Politik ist jene, die zum Frieden führt. Oft stellt sich heraus, dass es auch die schwierigste ist.

In unserer Welt gibt es Spezialisten und Expertinnen für alles. Selbst die Friedensförderung ist von diesem Phänomen nicht ausgenommen. Manchmal trifft man auch dort auf die Kälte zu sehr kalkulierter Begriffe der Technik. Wenn von Krisenmanagement, Prozessbegleitung und Konfliktregelung die Rede ist, drohen Begriffe zu wirklichkeitsfremden Ritualen zu werden.

Die wirklich beherzten Friedensförderer sind Frauen und Männer, die nicht nur das Technische beherrschen, sondern  auch Werte hochhalten. Sie besitzen eine ganze Reihe von Werten und Fähigkeiten. In erster Linie brauchen sie ein grosses Selbstvertrauen, um anderen Vertrauen geben zu können. Dann brauchten sie Empathie, die Fähigkeit, zuzuhören und zu verstehen, um selbst in den schwierigsten Situationen dem Dialog Erfolgsaussichten zu geben. Auch brauchen sie eine grenzenlose Hartnäckigkeit, einen unermüdlichern Willen, ohne sich an einer Sache festzubeissen, eine tief verankerte Überzeugung, dass es eine Lösung gibt, wenn auch kaum sichtbar, auf einem Weg, der von Misserfolgen und Enttäuschungen gesäumt ist.

Schliesslich bedingt die Friedensförderung Bescheidenheit, die an Diskretion appelliert, an die eigene Unsichtbarkeit, damit jeder Erfolg der Erfolg aller Beteiligten wird. Mit anderen Worten: Es sind vorwiegend die Qualitäten des Herzens, die dem Gesicht des Friedens das Lachen zurückgeben, dem Gesicht, das zu oft Folter ausgesetzt ist, zerfurcht durch wiederkehrende Wellen von Horror und Ungerechtigkeit, angeschwollen von Korruption und Rechtsunsicherheit.

Krisen und Kriege existieren, seit die Erde von Menschen bewohnt wird. Im Verlauf der letzten hundert Jahre haben Katastrophen eine weltweite Tragweite angenommen. Schon morgen steht das Überleben der Menschheit auf dem Spiel. Infolgedessen ist es richtig, der Friedenspolitik Priorität zu geben und jene zu unterstützen, die dafür an die Front gehen.

Damit das edle und mysteriöse Gesicht unserer Erde immer wieder zu seinem Lachen zurückfindet.

Dieser zeitlose und wieder sehr aktuelle Text erschien in längerer Form als Vorwort im Buch von Anne Gloor: Frieden bauen. Geschichten von der Arbeit in Krisengebieten. 2019, Zytglogge Verlag