Von den Protesten indigener Menschen in Ecuador, den Kundgebungen von Aktivist*innen für einen wirksamen Klimaschutz über die Anti-Kriegs-Aktionen in Russland, bis zu den Demonstrationen gegen die Verschärfung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den USA – die Liste der Beispiele ist lang.
Die Rechte auf Versammlungs-, Meinungsäusserungs- und Vereinigungsfreiheit verpflichten die Staaten, friedlichen Protest zu ermöglichen und zu schützen.
So vielfältig die Gründe sind, die Menschen auf die Strasse treiben – die Menschen haben in der Regel eines gemeinsam: Sie haben den Mut, für eine Verbesserung ihrer Lebensumstände einzustehen und gemeinsam ihre Stimme zu erheben gegen Ungerechtigkeiten und Missstände. Ohne vorangegangene Proteste, ohne den Einsatz mutiger Menschen für eine bessere Zukunft wäre vieles von dem, was wir heutzutage wie selbstverständlich geniessen, immer noch eine unerreichte Utopie: Demokratie, die Gleichstellung der Frauen, sozialer Ausgleich. Aus gutem Grund ist das «Recht auf Protest» auch völkerrechtlich geschützt. Die Rechte auf Versammlungs-, Meinungsäusserungs- und Vereinigungsfreiheit verpflichten die Staaten, friedlichen Protest zu ermöglichen und zu schützen.
Statt ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung der Versammlungsfreiheit nachzukommen, den Dialog mit den Demonstrierenden zu suchen und Proteste zu schützen, reagieren aber immer mehr Regierungen mit Einschränkungen, Gewalt und Repression. Häufig werden Proteste bereits im Voraus verboten, die Organisator*innen eingeschüchtert und verfolgt. Kundgebungen werden in vielen Staaten unter Einsatz unverhältnismässiger Gewalt und der Verwendung von Waffen aufgelöst oder niedergeschlagen. Teilnehmer*innen von Protesten drohen Verletzungen, Inhaftierung und unverhältnismässige Strafen. Diese Entwicklung betrifft auch Online-Proteste, die heutzutage in fast allen Gesellschaften eine immer wichtigere Rolle spielen. Durch Internet- Shutdowns, Zensur und Überwachung wird der Raum für Proteste im Internet drastisch beschnitten, Aktivist*innen werden ins Visier genommen und verfolgt.
Aus dem «Recht auf Protest» wird ein willkürlich und diskriminierend gewährter staatlicher Gnadenakt
Auch wenn Gewaltexzesse, der Einsatz des Militärs und von scharfer Munition besonders häufig in autoritär regierten Staaten zu beobachten sind, ist der allgemeine Trend keineswegs auf diese beschränkt. Restriktive Bewilligungsregime, Polizeigewalt und unverhältnismässige Strafen sind auch in Europa vielerorts Realität – die Schweiz ist davon nicht ausgenommen. Besonders stark betroffen sind dabei Menschen und Gruppierungen, die ohnehin marginalisiert sind. So wird aus dem «Recht auf Protest» ein willkürlich und diskriminierend gewährter staatlicher Gnadenakt, der Dissens nur in strikt rationierten Portionen zulässt und zivilgesellschaftliche Initiativen im Keim erstickt.
Wo Staaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und Menschenrechte mit repressiven Gesetzen, Schlagstöcken und Tränengas aushebeln, braucht es Menschen und Bewegungen, die Verletzungen aufdecken, den Fokus auf das Unrecht richten und die Verantwortlichen in die Pflicht nehmen. Amnesty International verteidigt das Recht auf friedlichen Protest, weltweit und in der Schweiz. Wir werden uns in den kommenden Monaten verstärkt für das Recht auf Protest und gegen den Trend zu immer weiter gehenden Einschränkungen, vermehrter Repression und Gewalt engagieren – gemeinsam mit allen den Menschenrechten zugewandten Bewegungen. Zusammen treten wir ein für eine Welt, in der alle Menschen ihre Anliegen friedlich auf die Strasse bringen können, unabhängig von Identität, Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Herkunft und ohne Angst vor Gewalt und Repression.