Im Rahmen des Lucerne Festival im Sommer 2022 machte ich eine Erfahrung, wie ich sie in meiner über 35-jährigen Tätigkeit als erfahrener Festival-Intendant selten erlebt habe: Erstmals wurden People of Color zu wichtigen Protagonist*innen auf der Bühne des Festivals. Dies zeigt auf, wie sehr Diversität in den vergangenen Jahrhunderten in der klassischen Musik vernachlässigt oder vergessen wurde.
In einer Branche, die sich wohlgemerkt ernsthafte Gedanken um ihr zukünftiges Publikum macht, hörte man oft die eigentlich unerhörte Frage: Sind diese Musiker*innen denn gut genug, um auf einer international bekannten Bühne wie dem Lucerne Festival zu bestehen? Werden sie nur wegen ihrer Hauptfarbe nach Luzern eingeladen? Nun – alle, die im vergangenen Sommer in Luzern dabei waren, wurden eines Besseren belehrt. Das Publikum lernte hochkarätige und begeisternde Künstler*innen wie die Sopranistin Golda Schultz aus Südafrika kennen. Die Aufführung der 1. Sinfonie der Schwarzen amerikanischen Komponistin Florence Price durch das Philadelphia Orchestra und Yannick Nézet- Séguin war gar eine musikalische Sensation.
Das Chineke! Orchestra aus London, das ausschliesslich aus People of Color zusammengesetzt ist, zeigte auf, dass Tore für Schwarze Musikerinnen geöffnet werden müssen und wie man sie konsequent und erfolgreich fördern kann.
Die leidenschaftliche Eröffnungsansprache von Chi-chi Nwanoku, der Gründerin der «Chineke! Foundation», ist in die Geschichte des Lucerne Festivals eingegangen. Selbst die New York Times reiste wegen unseres Festivalthemas nach Luzern und setzte sich unter dem Titel «A European Music Festival’s Push for Diversity Stirs Debate» intensiv mit unseren Programmen auseinander.
Gegen den Kanon in unserer Gesellschaft zu schwimmen, ist schwierig und unpopulär. Aber letztlich können wir alle mit wenig enorm viel bewegen und verändern. Für mich persönlich war das eine grosse Erfahrung, die mein Leben nachhaltig verändert hat. Am Ende haben wir letzten Sommer hier in Luzern eines der interessantesten und bewegendsten Festivals erlebt und für viele Menschen Türen geöffnet. Nicht-weisse Musiker*innen werden in der Zukunft vieles in der Welt der klassischen Musik bewegen und verändern, und das ist dringend nötig.