Er war Tellerwäscher in einem Restaurant, Arbeiter auf einem Bauernhof, Kellner in einer Shawarma-Bude in Tel Aviv, Gymnasiallehrer, Aktivist in humanitären Organisationen: Der 45-jährige Mohamed Badarne war schon überall, bevor er «ein bisschen zufällig » Fotograf wurde. «Ein Freund von mir mochte meine Fotos und hat mich dazu gedrängt, es zu versuchen», erzählt er. Daraufhin begann er, seine Heimat Palästina fotografisch festzuhalten: Arbeiter ohne Schutzkleidung, Kinder, die in einem Dorf ohne Strom- und Wasserversorgung spielen, ein Ehepaar inmitten eines zerstörten Dorfes – kurz gesagt, den Alltag einer Bevölkerung, die unter Besatzung lebt. «Ich möchte mit meinen Fotografien auf soziale Ungerechtigkeiten aufmerksam machen », sagt Mohamed Badarne.
Im vergangenen Dezember kam er in die Schweiz, um seine Bilder von Arbeitsmigrant* innen in Katar im Rahmen der Fussball-WM 2022 zu zeigen. Auch in der Ausstellung «The Forgotten Team» werden Ungerechtigkeiten thematisiert. «Als ich einmal in Katar eingeladen war, eine Vernissage zu eröffnen, wurde ich wie ein Privilegierter behandelt. Das inspirierte mich dazu, das Leben hinter dem Luxus und den 5-Stern-Hotels zu zeigen.» Während fünf Jahren durchstreifte Mohamed inkognito die Baustellen in Doha und die Orte, die von Arbeitsmigrant* innen frequentiert werden − den Menschen, die die Weltmeisterschaft erst möglich gemacht haben. Daraus entstand eine Ausstellung mit dem Ziel, die Öffentlichkeit für die prekären Arbeitsbedingungen und das Leid der Arbeiter*innen zu sensibilisieren. «Die Gesichter dieser Menschen sollten in die Geschichte eingehen, als Zeugnis.»
Die Fotografie ist ihm kein Selbstzweck, sondern Werkzeug.
Die Fotografie ist ihm kein Selbstzweck, sondern Werkzeug. Was Mohamed interessiert, ist der Mensch hinter der Linse. «Ich arbeite mit Menschen zusammen, die besondere Bedürfnisse und schwierige Geschichten haben.» Verbindungen zu den Abgebildeten herzustellen, ist Teil des Prozesses: So reiste er nach Nepal, um die Familien der Arbeitsmigrant* innen von Katar zu treffen. Mit der Mehrheit blieb er in Kontakt. Er hat auch Unterstützungsfonds für die Kinder von verstorbenen Arbeiter*innen eingerichtet.
Gefährdeten Menschen ihre Würde zurückzugeben, ist der Antrieb des Fotografen, der sich kritisch mit dem westlichen Blick auseinandersetzt. Mohamed Badarne weigert sich, die Abgebildeten in einer Opferposition zu zeigen, wie dies mit arabischen oder afrikanischen Menschen oft gemacht werde. Sein anderer Blick sei wohl von seinen eigenen Erfahrungen geprägt: «Ich kann mich leicht mit meinen Motiven identifizieren, da ich selbst prekäre Jobs hatte, aus einer grossen Familie mit neun Kindern stamme und ähnliche kulturelle Codes teile. Meine Sicht ist wohl näher an der Realität, denn beispielsweise wurde auch ich schon verhaftet, nur weil ich Mohamed heisse.»