Lourdes Huanca betritt das Genfer Amnesty- Büro mit einem Hut mit Andenmotiven und dem violetten Pin des Frauenstreiks. «Ich bin eine Feministin», erklärt die 53-jährige Landwirtin, die aus der Volksgruppe der Aymara stammt. Mit der von ihr gegründeten Organisation Fenmucarinap engagiert sie sich insbesondere für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und gegen sexualisierte Gewalt in ländlichen Gebieten. Lourdes Huanca ist aber auch eines der prominenten Gesichter des Aufstands in Peru, der am 7. Dezember begann, als nach der Inhaftierung des Ex-Präsidenten Pedro Castillo die Menschen zu Tausenden auf die Strasse gingen und den Rücktritt der Interimspräsidentin Dina Boluarte forderten.
Die Niederschlagung der Proteste durch die Polizei hat laut Amnesty International zu Tausenden Verletzten und mindestens 48 Toten geführt. Die Menschenrechtsorganisation prangert die Gewalt der Strafverfolgungsbehörden gegen die benachteiligten ländlichen und indigenen Gemeinschaften an. Um von diesen Menschenrechtsverletzungen zu erzählen, reiste Lourdes Huanca nach Europa. «Wir wurden von der Polizei beleidigt, über den Boden geschleift und mit Tränengas besprüht, obwohl einige schwanger und andere alt waren. Wir werden als Terrorist*innen bezeichnet!»
Für viele Indigene hatte Pedro Castillos Amtsantritt Hoffnung auf Veränderung bedeutet, er hatte Verbesserungen für die indigene Bevölkerung versprochen und versuchte, eine Agrarreform durchzusetzen, die die Unterstützung von Familienbetrieben vorsah. Diese Massnahmen wurden jedoch von der Rechten, die im Parlament die Mehrheit hat, blockiert.
Struktureller Rassismus
Mit der Absetzung Castillos komme das gesamte Erbe der weissen Vorherrschaft wieder zum Vorschein, sagt Lourdes Huanca. «Ich habe noch nie erlebt, dass ein Präsident so viel Rassismus erfährt. Für uns Indigene war das wie ein persönlicher Angriff, und es hat letztlich diese soziale Mobilisierung von nie dagewesenem Ausmass ausgelöst.»
Peru sei von Rassismus durchzogen, dieser sei strukturell verankert. «Wir werden vom Staat vernachlässigt», sagt Lourdes. «Die Infrastruktur und die Gesundheitsversorgung sind in den Regionen, die mehrheitlich von Indigenen bewohnt sind, miserabel. Die Bergbauaktivitäten multinationaler Konzerne verseuchen unser Wasser, so dass Kinder Blei im Blut haben. Auch der Zugang zur Justiz ist eingeschränkt, da es manchmal unmöglich ist, Dolmetscher*innen zu finden, die Quechua sprechen.»
Lourdes Huanca unterstützt daher die Forderung nach einer paritätisch besetzten verfassungsgebenden Versammlung, in der die Indigenen repräsentativ vertreten sind. «Das Land muss anerkennen, dass Peru aus verschiedenen Ethnien besteht, und ein Zusammenleben aller anstreben.»