Mit seinen im Gefängnis entstandenen Songs will El Bently 448 auch anderen Kraft geben. © DJC Records
Mit seinen im Gefängnis entstandenen Songs will El Bently 448 auch anderen Kraft geben. © DJC Records

MAGAZIN AMNESTY AMNESTY-MAGAZIN DEZEMBER 2023 – Kultur Botschaft aus dem Gefängnis

Von Arndt Peltner. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom Dezember 2023.
Leon Benson sass fast 25 Jahre unschuldig im Gefängnis. Als Rapper El Bently 448 konnte er nun seine Songs veröffentlichen, die ihn während der Haft am Leben hielten.

«Ich bin in armen Verhältnissen in Flint, Michigan, aufgewachsen, lebte in Detroit. Ich habe diese Tat nicht begangen. Ich bin mit Kriminellen aufgewachsen, kannte die Strassen, aber ich war kein Killer», sagt Leon Benson. Er wurde mit 22 für einen Mord an einem weissen Mann zu 60 Jahren Haft im Staatsgefängnis von Indiana verurteilt. Am 9. März dieses Jahres kam er frei – mittlerweile 47 Jahre alt.

Studierende der Justice Clinic an der University of San Francisco hatten Beweise dafür gefunden, dass Benson zu Unrecht verurteilt worden war. Der leitende Ermittler hatte es versäumt, der Verteidigung Berichte zu übergeben, die darauf schliessen liessen, dass der wahre Mörder ein anderer war. Auch Informationen, die die Aussagen eines Augenzeugen widerlegten, wurden zurückgehalten.

Leon Benson erzählt, dass auch im Gefängnis niemand hören wollte, dass er unschuldig sei. «Immer, wenn es mir schlecht ging, habe ich Songs über Freiheit geschrieben und sie mir vorgesagt, wie ein Mantra.» Als Rapper El Bently 448 hat Benson nun sein Erstlingswerk «Innocent born guilty» veröffentlicht. Sämtliche Songs entstanden während der Haft. In den fast 25 Jahren im Gefängnis wurde sein Rap immer besser, er trat in der Haftanstalt auf, seine Konzerte wurden über den gefängniseigenen Kanal übertragen. «Das Publikum da drin ist hart», erzählt er. «Wenn sie dich nicht mögen, jagen sie dich von der Bühne. » Das sei ihm aber nie passiert, im Gegenteil: «Sie umarmten mich, egal woher sie kamen und welche Hautfarbe sie hatten. » Er erinnert sich vor allem an ein Mitglied der rassistischen Gang Aryan Nation, die in vielen Gefängnissen der USA herrscht. Der Mann habe ihm nach einem Auftritt für die Lieder gedankt.

Einer der Songs ist «Murderdaworld», den er 2001 schrieb. «Es war damals dieses Gefühl: Ihr habt mich hierher ins Gefängnis gebracht, ich verliere alles.» Heute trägt er den Song mit einer anderen Botschaft vor: «Jetzt ermorde ich die Welt der Armut, der Ungerechtigkeit, des Rassismus, der Diskriminierung.»

Schwieriger Weg in die Freiheit

Schon während der Haft nahm Leon Benson Kontakt zu Fury Young auf. Dieser hat eine gemeinnützige Organisation gegründet, um Musik im Gefängnis zu fördern. Benson aka El Bently 448 habe ihm ein paar Songs geschickt, erinnert sich Fury Young: «Er hatte sie selbst aufgenommen, weil ich keinen Zugang zum Gefängnis bekam. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat. Ich fand sie richtig gut.» Youngs Label Die Jim Crow Records veröffentlichte Bensons Erstlingswerk. «Kunst ist eine Möglichkeit, die eigene Identität zu finden», sagt Young. «Im Gefängnis ist das besonders wichtig, denn man ist in einer einheitlichen Umgebung, jeder trägt quasi das Gleiche. Man ist irgendwie Eigentum des Staates.»

Leon Benson gewöhnt sich langsam an das Leben in Freiheit. Vom Bundesstaat Indiana hat er nicht einmal eine Entschädigung erhalten. Er sei tief verletzt, sagt er. Er habe seine Kinder nicht aufwachsen sehen, Verwandte und Freund*innen seien gestorben, ohne dass er sich habe verabschieden können. «Die verlorene Zeit, die Wut, die Frustration, das alles ist sehr schmerzhaft», sagt er. Doch er blickt nach vorn, ohne Hass, und hofft, dass er mit seinen Liedern andere erreichen und berühren kann.