Im Bild «Die Last des Lebens seit der Kindheit» von Seyha Hour wird die Figur von schweren Gewichten nach hinten gezogen. «Angst und das Gefühl von Gefahr begleiten mich noch heute.»© Satellites of Art / Seyha Hour
Im Bild «Die Last des Lebens seit der Kindheit» von Seyha Hour wird die Figur von schweren Gewichten nach hinten gezogen. «Angst und das Gefühl von Gefahr begleiten mich noch heute.» © Satellites of Art / Seyha Hour

MAGAZIN AMNESTY AMNESTY-MAGAZIN DEZEMBER 2023 – Kunst und Menschenrechte Menschenrechte lenken den Pinsel

Interview von Manuela Reimann Graf. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom Dezember 2023.
Der kambodschanische Künstler Seyha Hour thematisiert in seinem Werk seine Zeit als Kindersklave und die Erlebnisse durch Krieg und Armut. Aber auch die heutigen Ungerechtigkeiten prägen seine Werke.
Vor allem in Ihren frühen Werken thematisieren Sie Armut, Sklaverei und die Schrecken des Krieges während der Khmer-Zeit. Ist dies als eine Anklage gegen die Menschenrechtsverletzungen zu verstehen, die Sie als Kind erlitten haben?


Ja, ich betrachte es sogar als eine Pflicht. Menschenrechte spielen in meiner Arbeit immer eine Rolle und lenken oft unbewusst meinen Pinsel, selbst wenn ich Landschaften oder onirische und abstrakte Werke male.

Die wenigen Künstler*innen, die sich in Kambodscha kritisch äussern, habe Menschenrechtsverletzungen selbst erlebt. Andere Künstler*innen, die in der Regel aus der städtischen Oberschicht kommen, sich sind dieser Themen überhaupt nicht bewusst.

Hat Ihre kritische Kunst negative Reaktionen bei den Behörden hervorgerufen?


Glücklicherweise nicht, aber das Risiko besteht – wenn sie denn mehr von moderner Kunst verstünden und meinen Werken mehr Aufmerksamkeit schenken würden. Wenn die Behörden wüssten, wie man die versteckte Bedeutung von Kunstwerken «liest», hätte ich sicherlich Probleme bekommen. 2016 wurde eine meiner Serien vom französischen Kulturzentrum und anderen Galerien in Phnom Penh abgelehnt, um Probleme zu vermeiden. Schliesslich hatte sich das deutsche Kulturzentrum bereit erklärt, die Ausstellung zu organisieren. Es ist dann aber nichts passiert.

Seyha Hour Seyha Hour wurde 1991 in Oddar Meanchey (Kambodscha) geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seyha Hour machte 2013 seinen Abschluss an der Phare Ponleu Selpak Visual Arts School und lebt und arbeitet in den Romcheik 5 Studios in Battambang, Kambodscha.

Was wollen Sie mit Ihrer Kunst erreichen – bei den Zuschauer*innen, aber auch bei den Entscheidungsträger*innen?


In Kambodscha werden die Menschenrechte auf vielen Ebenen von den Machthabenden verletzt. Allein kann ich nicht viel tun, also brauchen wir Menschenrechts-NGOs, die ihre Stimme erheben, unsere Rechte und die Meinungsfreiheit schützen. Sie sind zumindest ein kleiner Schutzschild gegen die Untaten der Mächtigen.

Was die Entscheidungsträger in Kambodscha betrifft, habe ich wenig Illusionen. Aber was die Bevölkerung betrifft, möchte ich wirklich, dass die Leute meine Kunst verstehen.  Ich möchte durch die Malerei meine persönlichen Ansichten über die Gesellschaft zum Ausdruck bringen, und ich wende mich vor allem an die jungen Leute.

Ich hoffe, dass sie erkennen werden, wie wichtig die Kunst ist. Und ich bin optimistisch, denn in den letzten Jahren – seit Covid – habe ich mit Genugtuung festgestellt, dass immer mehr junge Khmer den Kunstraum besuchen, den ich mit zwei anderen Künstler*innen eingerichtet habe - und nicht mehr nur Ausländer*innen und Tourist*innen.

Was sollen Ihre Bilder bei den Betrachter*innen auslösen?

Ich hoffe, dass meine Bilder es den Menschen ermöglichen, die Realität anders zu lesen und so die Mängel der Gesellschaft besser zu erkennen. Und ich hoffe, dass sie lernen, wie Kunst den Geist beeinflussen und die Gedanken der Menschen bereichern kann.