Was ist das humanitäre Völkerrecht?
Das humanitäre Völkerrecht (HVR) ist ein internationales Regelwerk, das darauf abzielt, die Auswirkungen von bewaffneten Konflikten zu begrenzen. Man spricht im Zusammenhang mit dem HVR auch von «Kriegsvölkerrecht» oder dem «Recht der bewaffneten Konflikte». Seine wichtigsten Bausteine sind die Haager Abkommen von 1899 und 1907, die 1949 verabschiedeten vier Genfer Abkommen sowie die 1977 und 2005 verabschiedeten Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen. 1980 kam ausserdem das Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung bestimmter konventioneller Waffen dazu. Die Existenz eines bewaffneten Konflikts ist dabei eine Bedingung für die Anwendung des HRV – Unruhen oder einzelne Gewaltakte genügen nicht. Für die Anwendung spielt der Kriegsgrund keine Rolle. Alle Konfliktparteien sind an die Bestimmungen gebunden, unabhängig davon, wer für den Kriegsausbruch verantwortlich ist.
Wen schützt das humanitäre Völkerrecht?
Das HVR stellt Regeln auf, die die Auswirkungen von Gewalt in bewaffneten Konflikten gering halten sollen – egal ob innerhalb eines oder zwischen Staaten. Es schützt die Zivilbevölkerung und Personen, die nicht oder nicht mehr an den Kämpfen beteiligt sind, darunter medizinisches Personal, verwundete Kombattanten und Kriegsgefangene. Das HVR baut auf dem sogenannten Unterscheidungsprinzip auf: Die Konfliktparteien müssen immer zwischen Zivilbevölkerung und zivilen Objekten einerseits und Militär und militärischen Einrichtungen andererseits unterscheiden. Weder die Zivilbevölkerung als Ganzes noch einzelne Zivilist*innen dürfen direkt angegriffen werden. Angriffe sind nur erlaubt, wenn sie auf militärische Ziele oder Personen, die an den Kampfhandlungen teilnehmen, gerichtet sind. Umgekehrt ist die angegriffene Partei verpflichtet, ihre Zivilbevölkerung so gut wie möglich zu schützen, insbesondere indem sie diese von militärischen Objekten entfernt.
Dies schliesst allerdings einen sogenannten «Kollateralschaden», also zivile Tote und Verwundete sowie die Zerstörung ziviler Objekte, nicht aus, muss aber im Verhältnis zum militärischen Vorteil stehen (sogenanntes Notwendigkeitsprinzip) und so klein wie möglich gehalten werden (sogenanntes Verhältnismässigkeitsprinzip).
Welche Kriegsmethoden sind verboten?
Die Grundsätze der Notwendigkeit und der Verhältnismässigkeit gebieten, dass Kampfmethoden und -mittel so gewählt werden, dass für die Erreichung des militärischen Ziels unnötiges Leid und unnötige Verluste verhindert werden. Mittel und Methoden, die nicht zwischen an der Kampfhandlung beteiligten und unbeteiligten Personen unterscheiden, sind verboten. Ebenfalls verboten sind Waffen, die überflüssiges Leid verursachen oder der Umwelt schwere (Langzeit-)Schäden zufügen.
Wer setzt das humanitäre Völkerrecht durch?
Bei schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts spricht man von Kriegsverbrechen. Die Staaten müssen Kriegsverbrechen, die von ihren Staatsangehörigen, ihren Streitkräften oder auf ihrem Hoheitsgebiet begangen wurden, untersuchen und wenn möglich die Verdächtigen strafrechtlich verfolgen. Seit 2002 gibt es den permanenten Internationalen Strafgerichtshof, dessen Kompetenz von bisher 122 Ländern anerkannt wurde. Er kann schwere Verstösse gegen das HRV untersuchen und gegen verantwortliche Personen vorgehen. Die Strafverfolgung kann auch vor einigen inländischen Gerichten erfolgen, die die «universelle Gerichtsbarkeit » übernommen haben. Sie können eine Straftat verfolgen, die ausserhalb ihres Landes von Personen begangen wurde, die nicht die Staatsangehörigkeit des Landes besitzen, wo jedoch die Straftat schwer genug ist, um überall strafrechtlich verfolgt zu werden.