© trigon-film
© trigon-film

MAGAZIN AMNESTY AMNESTY-MAGAZIN MÄRZ 2024 – Film Grüne Hölle

Von Ulla Bein. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom März 2024.
An der Grenze zwischen Belarus und Polen: Durch die Lukaschenko-Regierung angelockte Geflüchtete versuchen in die EU zu gelangen. Der Film «Green Border» macht deutlich, wie brutal mit den Asylsuchenden umgegangen wird.

Nur wenige Sekunden schimmert der Wald, den wir zu Beginn des Films sehen, in hellem Grün. Dann wird dem Bild ein Grossteil des Lichts entzogen, im Film herrschen nun düstere Farben vor – passend zu der harten Realität der Geschichte.

Der Film der 75-jährigen polnischen Regisseurin Agnieszka Holland fängt in diesem sumpfigen Waldgebiet an der Grenze von Belarus und Polen an, über das im Herbst 2021 zahlreiche Menschen auf der Flucht, in die EU zu gelangen versuchten. Viele von ihnen bezahlten dies mit dem Leben.

Szenenwechsel: In einem Flugzeug tauscht sich eine gutsituierte syrische Familie mit der afghanischen Sitznachbarin aus. Alle sind erleichtert, dass sich für sie eine Fluchtroute aufgetan hat, die sie sicher an ihr Ziel in Schweden bringen soll. Ein Taxi nimmt die Geflüchteten am Flughafen von Minsk in Empfang. Doch statt nach Schweden werden sie zu diesem Waldstück an der Grenze zu Polen gebracht, wo sie von Soldaten mit vorgehaltenen Waffen unter einem Stacheldraht hindurch ins Nachbarland getrieben werden. Umgehend werden sie jedoch wieder von Polen nach Belarus zurückgejagt – das brutale Spiel beginnt von vorne.

Was die Geflüchteten, die wir im Film kennenlernen, an Einschüchterung, Demütigungen, Gewalt und illegalen Pushbacks erleben müssen, ist nur schwer anzusehen. Bevor die mit filmischer Wucht gezeigte Härte der Schicksale aber unerträglich wird, wechselt die Szene: Wir sehen die Schulung polnischer Grenzwächter, deren Perspektive im Film ebenfalls Raum erhält. Sie sind gefangen in ihrer Rolle als brutale Handlanger der Regierung, die wenig Raum für Menschlichkeit lässt. Dieser Abschnitt des Films wirkt etwas gesucht. Doch bald sind wir wieder bei den Geflüchteten, die die Hoffnung aufgegeben haben, auf dem ursprünglich geplanten (und bezahlten) Weg weiterreisen zu können. Die Route über Belarus, die sie für ein Geschenk Gottes hielten, hat sich längst als Hölle erwiesen.

Es gibt aber auch Platz für Momente von Zartheit und Wärme: so, als eine Gruppe meist junger Aktivist*innen sich der mittlerweile angewachsenen Gruppe von Migrant*innen annimmt und versucht, deren Überleben zu sichern. Doch aus dem Niemandsland herausführen können sie sie nicht, denn damit würden weitere Hilfseinsätze gefährdet. Diese Situation ist auch für die Helfer*innen schwer zu ertragen.

Die letzte Einstellung des Films führt in eine spätere Zeit, an eine andere polnische Grenze, wo ukrainische Geflüchtete menschlicher, sogar herzlich empfangen werden. Dieser so unterschiedliche Umgang mit Menschen, die je nach Herkunft willkommen geheissen oder zurückgewiesen, ja zurückgeprügelt werden, hinterlässt eine von der Regisseurin bewusst provozierte Irritation.

Das vielfältige Lebenswerk der Regisseurin reicht von engagierten Filmen über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg bis zu reinen Unterhaltungsfilmen. In «Green Border» gibt Holland einmal mehr denjenigen eine Stimme, die keine Stimme haben – und wurde dafür in Polen von rechter Seite massiv angefeindet. Umso wichtiger ist es, dass diese europäische Koproduktion mehrere Preise gewonnen hat – und dass wir uns den Film anschauen.