Eine Maus huscht durch Nawals Küche. Doch das ist noch das geringste Problem der jungen Witwe aus der jordanischen Hauptstadt Amman. Ihr überraschend im Schlaf verstorbener Mann hat ihr nur Schulden, ein bürokratisches Chaos und einige Geheimnisse hinterlassen. Nun muss Nawal fürchten, ihre Wohnung zu verlieren, die sie von ihrer Aussteuer bezahlt hat. Sogar das Sorgerecht für ihre Tochter Noura könnte ihr aberkannt werden. Denn das patriarchalische Familien- und Erbrecht bevorteilt ihren gierigen Schwager Rufqi, der immer stärker versucht, in Nawals Leben einzugreifen. Alles wäre anders, hätte Nawal auch einen Sohn statt «nur» einer Tochter. Und so erfindet sie kurzerhand eine Schwangerschaft, die das Erbverfahren sistieren würde. Natürlich muss sie die Schwangerschaft vor Gericht beweisen. Wie Nawal dies macht, bildet den Kern der Geschichte des Films «Inshallah walad» (So Gott will, wird es ein Junge).
Die palästinensische Schauspielerin Mouna Hawa stellt Nawals wachsenden Widerstandsgeist auf beeindruckende Weise dar. Nawal wehrt sich zunehmend entschlossener gegen Rufqi, gegen ihre wohlhabende Arbeitgeberin Souad, bei der sie als feinfühlige Pflegerin für eine demente Tante tätig ist, und auch gegen ihren Arbeitskollegen Hassan, der glaubt, nun freie Bahn für seine Annäherungsversuche zu haben. Zum Symbol von Nawals Freiheitswillen wird der Kleinlastwagen ihres Mannes, für den noch vier Raten offen sind. Alle bedrängen sie, ihn zu verkaufen, um die geerbten Schulden abzuzahlen. Doch sie weigert sich, obwohl sie gar nicht fahren kann. «Ich finde eine Lösung» wird zu ihrem Standardsatz.
«Wie im Mittelalter»
Vor Einbruch der Dunkelheit zuhause sein, sich nicht mit einem anderen Mann blicken lassen, das Haar züchtig tragen: Jordaniens konservative Moral schränkt Nawals Leben auf vielfache Weise ein. Zu ihrer einzigen Verbündeten wird Souads Tochter Lauren, mit der sie einen zweifelhaften Deal eingeht. Lauren ist ihres betrügerischen Mannes überdrüssig und möchte ein eigenständiges Leben führen. Doch nicht einmal ihr hoher sozialer Status hilft ihr dabei. «In diesem Land herrscht das Mittelalter», beklagt Lauren.
Inspiriert von einem ähnlichen Erlebnis in seinem Umfeld, hat Regisseur Amjad Al Rasheed zusammen mit den Drehbuch-Autorinnen Rula Nasser und Delphine Agut ein vielschichtiges, insgesamt ruhiges, aber mit feinen Nadelstichen gegen Politik und Gesellschaft versetztes Werk geschaffen. Der Film illustriert den Wunsch vieler junger Jordanierinnen nach mehr Freiheit in einer patriarchalen Welt. Laut Verfassung sind Jordaniens Frauen seit 2022 gleichgestellt; die dafür notwendigen Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft lassen aber auf sich warten.
Und die Maus? Sie huscht zuletzt nicht mehr durch die Küche. Glücklich darüber ist Nawal aber nicht.