Ende des 20. Jahrhunderts: Eine kleine Gruppe hat sich am späten Abend von ihrem Schlepper an den Strand führen lassen. Neben dem Ich-Erzähler Asûs und dessen Cousin Reda sind es verschiedene Männer aus nordafrikanischen Staaten, die vor Krieg und Gewalt auf der Flucht sind. Mit dabei ist auch Nuara, die mit ihrem Säugling auf der Suche nach ihrem Mann ist, den sie in Frankreich vermutet. Sie alle hoffen, dass das ruhige Meer ihnen eine schnelles Überqueren der Strasse von Gibraltar erlaubt.
Es ist dunkel und kalt, die Angst ihr Begleiter, nun kommt noch der Hunger hinzu. Dabei hatte Asûs doch voller Optimismus gehofft, seine nächste Mahlzeit bereits in Spanien einnehmen zu können.
Das gemeinsame Warten auf das Boot nach Europa bietet im Roman «Willkommen im Paradies» die Gelegenheit, jedem dieser Menschen ein Gesicht und eine Geschichte zu geben. Der Autor Mahi Binebine, 1959 in Marrakesch geboren, studierte in Frankreich und lebte als Mathematiklehrer in Paris. Nach Stationen unter anderem in New York und Madrid kehrte der mittlerweile vor allem als Maler weltweit bekannte Autor 1999 zunächst nach Frankreich zurück. Nachdem die Rechtsextremen bei den Präsidentschaftswahlen ein historisches Ergebnis erzielt hatten, mochte er nicht mehr in Frankreich leben und beschloss, in seine Heimat zurückzukehren, wo er noch immer lebt und arbeitet.
Die Geschichten in Binebines Roman «Willkommen im Paradies», der vom Lenos-Verlag diesen Herbst in einer überarbeiteten Übersetzung neu aufgelegt wird, kommen manchmal anekdotisch daher. Manchmal ist das Schicksal, das Asûs und den anderen widerfahren ist, voller Grausamkeit – doch das Erzählen hilft ihnen. Hilft, ein Mensch zu sein. Hilft, die Wartezeit zu überbrücken. Und trotz allem Missbrauch, den die Protagonist* innen erlebt haben, trotz aller Ungerechtigkeit lassen sich diese Menschen nicht vollkommen brechen. Auch wenn ihre Lage hoffnungslos erscheint.
So begleitet der Roman die Wartenden auf nahezu unterhaltsame Weise, nur durchbrochen von den schwer verdaulichen Passagen. Nicht immer ist der Hintergrund des Erzählten gleich erkennbar, folgt der Roman dem Zweckoptimismus seiner Figuren… Nach der langen Warterei legt der Kahn, der sie von Tanger in Marokko nach Algeciras im Süden Spaniens bringen soll, endlich an. Mittlerweile ist die See nicht mehr ruhig. Wird die Überfahrt gelingen?
Zurzeit sind etwa 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Erschreckende Zahlen, die uns in Europa kaum mehr berühren. Tausende, die ihr Leben bei einem Schiffbruch im Mittelmeer verloren haben, sind in den Nachrichten nur noch eine Marginalie. Mit seinem Buch hat der Autor Mahi Binebine ihnen schon früh ein Denkmal gesetzt.