Die Reaktion der Schweiz auf den Beschluss des israelischen Parlaments, dem Palästinenser*innen-Hilfswerk UNRWA jegliche Tätigkeit auf dem Gebiet Israels (und damit auch im Gaza-Streifen mit seinen 2,2 Millionen Menschen) zu verbieten, war, gelinde ausgedrückt, schwach. Aussenminister Ignazio Cassis sagte, die schweizerische Regierung sei «besorgt», aber was er an diesem 28. Oktober nicht erwähnte: Der Nationalrat hatte, keine zwei Monate zuvor, mit 99 zu 88 Stimmen bei 7 Enthaltungen dafür votiert, demselben Hilfswerk den Geldhahn zuzudrehen. Vorläufig ist zwar noch eine Summe von 10 Millionen Franken für die UNRWA «in der Pipeline», aber auch die ist blockiert.
Die israelische Regierung erklärt, sie werde den Gaza-Streifen auch ohne die UNRWA ausreichend mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgen. Nur: Glaubhaft ist das nicht. Israel baute Hindernis um Hindernis auf, wenn es darum ging, Hilfsgüter in den Gaza- Streifen durchzulassen. Schliesslich gelangte so wenig in den Landstreifen, dass sich jetzt bei der wie auf einem Schachbrett hin und her getriebenen Bevölkerung Hunger und Krankheiten immer mehr ausbreiten.
Und die Schweiz, angebliche Hüterin des humanitären Rechts, schaut zu.
Ins Kreuzfeuer der Kritik geriet die UNRWA mit ihrem Chef, dem Schweizer Philippe Lazzarini, im Januar: Israel erklärte, zwölf UNRWA-Mitarbeiter hätten am Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 teilgenommen. Lazzarini suspendierte die Beschuldigten noch am gleichen Tag. Und ordnete zwei Untersuchungen an. Beide kamen zum Resultat, es gebe zwar einige Probleme mit der Neutralität, aber Israel habe keine Beweise vorgelegt für die Schuld der Inkriminierten. Worauf all jene Staaten, die ihre Zahlungen sistiert hatten, die Geldtransfers wieder aufnahmen, von Spanien über Schweden und Grossbritannien bis Japan – sogar Deutschland, traditionell loyal gegenüber der israelischen Regierung, überwies wieder Gelder im alten Umfang. Die Schweiz tat das nicht.
Die Kritik Israels an der UNRWA ist inzwischen masslos geworden: Das Hilfswerk sei identisch mit der Hamas, erklärten mehrere Parlamentarier*innen im Parlament in Jerusalem. Und setzten so den Boykott durch.
Die UNRWA beschäftigt im Gaza-Streifen rund 13 000 Mitarbeiter* innen. Lazzarini suspendierte, nach den ersten Anschuldigungen durch Israel, zwölf von ihnen – später noch einmal neun. Man kann auch so rechnen: Gegen 21 von 13 000 gab es Hinweise auf die Beteiligung am Hamas-Terror – das wären etwa eineinhalb Promille der Mitarbeitenden. Die übrigen 998,5 Promille – und die ganze Bevölkerung des Gaza- Streifens – nimmt Israel in Sippenhaft.
Und die Schweiz, angebliche Hüterin des humanitären Rechts, schaut zu und spielt beim Machtpoker der Regierung Netanyahu um das Flüchtlingshilfswerk UNRWA mit.