«Tyrannei erfordert ständige Anstrengung. Sie zerfällt, sie leckt. Autorität ist brüchig. Unterdrückung ist die Maske der Angst.» Dies ist kein Zitat eines Polit-Philosophen. Dies sind die Worte eines Rebellen in der Star Wars Serie «Andor». Er legt den Finger auf den wunden Punkt aller autoritärer Systeme: Wer Macht durch Unterdrückung und Ausgrenzung erringt, fürchtet sich vor der zwangsläufigen Reaktion, was zu weiterer Unterdrückung und Ausgrenzung führt, bis das System unter dem immensen Druck zerbricht.
Der Trick der Tyrannei besteht darin, die entstehende Wut so lange wie möglich umzuleiten.
Der Trick der Tyrannei besteht darin, die entstehende Wut so lange wie möglich umzuleiten. In den USA (und bei der extremen Rechten in Europa) sehen wir gerade ein Beispiel in Echtzeit: Die Wut wird auf Migrant*innen und Minderheiten projiziert. Die Schuld an der individuellen Unzufriedenheit wird auf die Schwächsten geschoben, es entstehen Feindbilder, die von den echten Problemen und deren Verursacher*innen ablenken. Psychologisch funktioniert das eine Weile bei der breiten Masse, da mit der Abwertung Schwächerer dem Gefühl der Machtlosigkeit und Minderwertigkeit eine Illusion von Stärke entgegengesetzt wird.
In meinem Umfeld wird die augenblickliche Situation in den USA oft mit dem aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland in den 1930-er Jahren verglichen. Das wird der Trump-Regierung nicht gerecht. Die Nazis glaubten fest an ihren Traum vom 1000-jährigen Reich und waren bereit, für ihre Ziele unaussprechliche Verbrechen zu begehen.
Die Trump-Administration ist zynischer, wie die ersten 130 Tage zeigten. Es geht ihnen nicht darum, ein nachhaltiges, autoritäres System aufzubauen, sondern darum, möglichst viel der ihnen verhassten humanistischen Errungenschaften zu zerstören. Würden sie an eine glorreiche Zukunft glauben, gingen sie in kleinen Schritten vor, die die individuellen Freiheiten unmerklich in Richtung Totalitarismus verschöben.
Nemik, der zitierte Star Wars-Rebell, erkennt, dass es schwieriger ist, tausend kleine Ungerechtigkeiten zu bekämpfen als eine grosse. Die Flut an zum Teil klar verfassungsfeindlichen Dekreten des US-Präsidenten soll jedoch nicht den Staat umbauen. Viele davon werden sowieso von den Gerichten ausgebremst. Der schiere Overkill an unmenschlichen Entscheidungen soll die Gegner*innen demoralisieren und – weit wichtiger – verschleiern, wer handfeste finanzielle Vorteile aus dem sich verbreitenden Chaos generiert.
Doch die US-Amerikaner*innen sind nicht die obrigkeitsgläubigen Deutschen aus dem letzten Jahrhundert. Sie sind zutiefst autoritätskritisch, rebellisch, stur und selbstgerecht. Damit lässt sich auf Zeit keine autoritäre Gesellschaft formen.