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AMNESTY-Magazin Juni 2025 – Buch Eine kongolesische Kafkaeske

Von Boris Bögli. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom Juni 2025.
Mit «Cave 72» legt der Autor Fann Attiki eine leichtfüssige, tragikomische Erzählung aus seinem Heimatland vor – vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen in der Republik Kongo..

Didi, Ferdinand und Verdass sitzen in der «Cave 72», einer kleinen Bar an einer Ausgehmeile in Brazzaville. Mit Herzblut und Schalk wird das Lokal von einer Selfmadefrau geführt, die sich «Maman Nationale» nennt und die eine lokale Berühmtheit ist. Die drei Männer sind Mitte 20, Studienabbrecher und illusionslos. Sie verbringen ihre Nachmittage mit lauwarmem Bier, schauen den Mädchen hinterher und philosophieren über Literatur und den Lauf der Welt.

Durch eine unglückliche Verkettung der Umstände geraten sie in den Sog einer Verschwörung: Ein hoher Geheimdienstoffizier kann seine Karriere nur befördern, wenn er eine Bedrohung für den gefürchteten Langzeitpräsidenten entdeckt. Existiert keine, so erfindet er eben eine. Es gibt einen Toten (ein Verwechslungsopfer), konspirative Treffen, Verhaftungen, groteske Verhöre und Proteste im Namen von «Maman Nationale », bis sich der «Allgegenwärtige Führer » einschaltet.

Wer einen afrikanischen Camus sucht, findet in «Cave 72» eine kleine literarische Perle.

In Attikis Roman, der 2021 mit dem «Prix Voix d’Afriques» ausgezeichnet wurde, verschmelzen Exzess und Resignation, Fussball und Korruption, Sex und Religion. Mühelos springt er von Nietzsche zu US-Krimiserien, von kongolesischen Rapper*innen zur EU-Flüchtlingspolitik. Was bleibt, sind die Unberechenbarkeit des Lebens in Brazzaville und die absurden Mechanismen einer Willkür- und Klientelherrschaft. Die Geschichte wird von kafkaesken Szenen vorangetrieben. Mit seinen überspitzten Anekdoten über die Dummheit der Behörden bringt der 1992 geborene Autor die Leser*innen zum Lachen. Wer einen afrikanischen Camus sucht, findet in «Cave 72» eine kleine literarische Perle.

Aber der Hintergrund ist ernst. Die Republik Kongo, nicht zu verwechseln mit der benachbarten (und konfliktreichen) Demokratischen Republik Kongo, wird seit einem blutigen Putsch 1997 von Präsident Denis Sassou-Nguesso autoritär geführt. Oppositionelle werden nach Erkenntnis von Amnesty International willkürlich festgenommen, Bewohner*innen in Bergbaugebieten zwangsvertrieben. Gewalt gegen Frauen bleibt meist straflos. Das lokale «Centre d’Actions pour le Développement » meldete Ende 2024 einen Anstieg von Menschenrechtsverletzungen und berichtete von Fällen von «Verschwindenlassen».