Mitglieder der bewaffneten Gruppierung M23 patrouillieren regelmässig durch die Stadt Bukavu: Trotzdem beharrt die Regierung der DRK darauf, die Situation unter Kontrolle zu haben. © Luis TATO / AFP / Keystone
Mitglieder der bewaffneten Gruppierung M23 patrouillieren regelmässig durch die Stadt Bukavu: Trotzdem beharrt die Regierung der DRK darauf, die Situation unter Kontrolle zu haben. © Luis TATO / AFP / Keystone

MAGAZIN AMNESTY AMNESTY-Magazin Juni 2025 – Demokratische Republik Kongo Im Kreuzfeuer der Desinformation

Von Fidèle Kitsa. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom Juni 2025.
Seit dem Wiederaufleben der bewaffneten Gruppe M23 wird Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo regelmässig von Gewalt heimgesucht. Doch die kongolesischen Medien lassen die Bevölkerung des Landes über die Lage im Konfliktgebiet im Unklaren.

Tausende Tote, unzählige Verletzte und bis zu 700 000 Vertriebene: Das sind die Folgen des erneuten Ausbruchs der Kämpfe zu Beginn dieses Jahres zwischen den Streitkräften der Demokratischen Republik Kongo (Forces Armées de la République Démocratique du Congo FARDC) und der Bewegung des 23. März, M23, die laut mehreren Uno- Berichten von ruandischen Truppen unterstützt wird. Der Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, der vor allem die Städte Goma und Bukavu mit aller Heftigkeit traf, wird nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen – sondern auch in den Medien. Die Konfliktparteien nutzen jegliche Mittel der Desinformation, um ihre Botschaft zu verbreiten und die Bewohner*innen der Region zu mobilisieren, sich hinter ihre Anliegen zu stellen.

Journalist*innen, die sich nicht dem Narrativ der Regierung beugen, dass alles unter Kontrolle sei, werden bedroht, verklagt oder gar verhaftet.

Falschmeldungen werden nicht nur über die traditionellen Medien, sondern auch über Online-Kanäle und in sozialen Medien wie Facebook oder X verbreitet, die in der DRK für viele eine wichtige Informationsquelle darstellen. Seit dem erneuten Ausbruch des Konfliktes geht die Regierung hart gegen Medienschaffende vor. Bis heute ist es für Journalist*innen und Medien im Osten des Landes schwierig, Informationen von den kongolesischen Behörden zu erhalten. Die Pressefreiheit wird massiv beschränkt. Journalist*innen, die sich nicht dem Narrativ der Regierung beugen, dass alles unter Kontrolle sei, werden bedroht, verklagt oder gar verhaftet. Im Januar suspendierte die Regierung den Nachrichtendienst Al Jazeera. Viele bekannte Medienschaffende haben das Land bereits verlassen, einige Medien wurden ganz geschlossen.

Viele Kongoles*innen beklagen, dass sie keinen Zugang zu aktuellen, faktenbasierten Informationen über die Gewalt haben. «Die Realität vor Ort wird im Internet oft verzerrt dargestellt, was die Bevölkerung desorientiert. Auch Journalist*innen sind nicht immun gegen die Falschinformationen. Einige haben sich gar hinter die offizielle Politik gestellt und versorgen uns nun aktiv mit falschen Nachrichten», sagt Amani Mugisho, ein Einwohner von Bukavu, der Hauptstadt von Süd-Kivu.

Ein anderer Bewohner, Kulimushi, fügt hinzu: «Wir können nicht mehr über das sprechen, was bei uns passiert. Wenn ich versuche, über meine Erfahrungen vor Ort zu reden, werde ich als Ruander, als Verräter beschimpft – weil meine Erzählungen nicht mit dem Narrativ der Regierung übereinstimmen. Dabei bin ich ja vor Ort und ich sehe, was passiert. Die kongolesische Regierung gibt keine Informationen weiter, die ihre Schwächen aufdecken könnten. Es handelt sich ausschliesslich um Propaganda. Die Regierung versucht, uns mit unhaltbaren Informationen zu manipulieren.»

Francine Nzigire, die ebenfalls in Bukavu lebt, erinnert sich daran, wie die kongolesischen Behörden den Fall von Goma in die Hände der M23-Rebellen verkündet hatten. «Die Regierung sagte uns, dass die Situation unter Kontrolle sei. Der Satz, den man am häufigsten hörte, war: ‚Wir haben diese Rebellen in die Flucht geschlagen‘. Doch meine Nichte, die während der Kämpfe in Goma war, sagte mir, dass die M23 immer noch präsent waren. Man wusste nicht mehr, was man glauben konnte.»

Vertuschung von Fehlverhalten

In Goma scheint die Bevölkerung an den offiziellen Berichten zu zweifeln. Nach den Erfahrungen des vergangenen Januars, als die Hauptstadt von Nord-Kivu unter die Kontrolle der M23-Rebellen geriet, hat sie auch allen Grund dazu. Nelson Kasereka, ein Händler in der Stadt Goma, bedauert, dass er der offiziellen Version vertraute: «Ich habe mein Kapital verloren, mein Geschäft wurde im Januar geplündert. In den Tagen davor hatte ich noch überlegt, ob ich flüchten sollte oder nicht: Einerseits befürchtete ich, dass Goma unter die Kontrolle der M23 geraten könnte. Ich war auch in einer Whats- App-Gruppe, in der wir von Verwandten und anderen Händler*innen Warnungen über die Lage in der Stadt erhielten. Doch die Regierung beruhigte uns immer mit der Aussage, dass Goma niemals von den Rebellen kontrolliert werden würde. Selbst als die Stadt zum Schlachtfeld wurde, war die Rhetorik aus Kinshasa gelassen.»

Schlimmer noch, der offizielle Diskurs beschuldigte alle kritischen Stimmen, mit der M23 und Ruanda zu kollaborieren. «Wer nicht die gleiche Sprache wie die kongolesische Regierung spricht, wird als Verräter abgestempelt, als Teil des ruandischen Giftes – ein Begriff, der im Umlauf ist», sagt Kevin Ushindi, ein weiterer Einwohner Gomas. «Sie wollen uns einschüchtern, damit wir nicht darüber sprechen, was bei uns passiert, denn sie haben sich dafür entschieden, uns zu belügen und zu manipulieren.»

Doch was erhofft sich die Regierung aus den Falschmeldungen? Pressefreiheit hat in der DRC schon seit Jahren einen schweren Stand. Dies vor allem, weil die Regierung verhindern will, dass Berichte über Korruption, politische Skandale oder gar Menschenrechtsverletzungen durch die Behörden an die Öffentlichkeit geraten. Auch sollen so grössere Aufstände verhindert und letztendlich die eigene Macht gesichert werden. Nicht zuletzt spielt auch die Präsenz vieler multinationaler Konzerne in der DRK eine wichtige Rolle. Die Regierung will vermeiden, dass Sicherheitsbedenken seitens der Konzerne, die mehrheitlich im Kupfer- und Kobaltabbau tätig sind, auftauchen – was zur Suspendierung oder gar zum vorübergehenden Abzug der Konzerne führen könnte. So versucht die Regierung wiederholt zu vertuschen, dass gewisse Minen bereits unter Kontrolle der M23 sind – obwohl diese Informationen bereits in internationalen Medien publiziert wurden.

Desinformation als Waffe

Auch Françoise Uwimana, ein weiterer Bewohner aus Goma, ist überzeugt, dass die Kommunikation der Behörden dazu dienen soll, von den eigenen Vergehen und der Korruption in Kinshasa abzulenken. «Dabei wäre es wichtig, über den Konflikt zu berichten, damit wir die Behörden zum Handeln zu bewegen können – und vielleicht endlich den Frieden erlangen.»

Für John Mukengere, Experte für Faktencheck bei Congo Check, einem auf Faktenchecking spezialisierten Medium im östlichen Teil der DRK ist klar: Die Falschinformationen führen zur Destabilisierung der Bevölkerung und können gar einen negativen Einfluss auf das Verhalten der Bürger*innen haben. «Die Qualität der Informationen der Regierung müsste dringend verbessert werden», sagt er.

«Der Konflikt in der DRK ist längst nicht mehr militärisch. Es ist ein Konflikt über Meinungshoheiten geworden.» John Mukengere, Experte für Faktencheck bei Congo Check

Für Edgard Mahungu, Forscher im Bereich Informations- und Kommunikationswissenschaften und Hochschullehrer in der DRK, fehlt in der Berichterstattung über den Krieg oft der Kontext. «Sein Verlauf und seine Entwicklung auf dem Feld beeinflussen die Wahrnehmung und die Art und Weise, wie über den Krieg gesprochen wird. Die kongolesische Regierung hat es versäumt, die notwendigen Hintergründe zum Konflikt zu liefern, damit die Bevölkerung objektiv, klar und präzise informiert wird. Sie hat es vorgezogen, zu schweigen und sich der Desinformation zu widmen – und ihr Image aufzupolieren», sagt Mahungu. «Der Konflikt in der DRK ist längst nicht mehr militärisch. Es ist ein Konflikt über Meinungshoheiten geworden – über die Kontrolle der Narrative. Die Desinformation ist zur Waffe, die die Instabilität im Land weiter vorantreibt.»