Am Dienstag, dem 30. Oktober fand in Zürich die Podiumsdiskussion zu der von der SVP lancierten Selbstbestimmungsinitiative statt. Zusammen mit dem Fachverein Polito hat die Hochschulgruppe Amnesty International Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Justiz und Zivilgesellschaft eingeladen: Ziel der Veranstaltung war es, den rechtsphilosophischen und ethischen Grundsatzfragen, welche durch die Initiative aufgeworfen werden und die im emotionalen Abstimmungskampfs oft untergehen, einen Raum zu bieten. So stellte sich unser Panel schwierigen Fragen, wie: Was bedeuten die Menschenrechte für die Schweiz? Wie viel Macht sollte das Volk haben? Ist die Selbstbestimmung der SchweizerInnen in Gefahr?
Eröffnet wurde der Abend von Patrick Walder, Kampagnenleiter von Amnesty International: er zeigte den grösseren internationalen Kontext der Initiative auf und erinnerte an die Entstehungsgeschichte der Europäischen Menschenrechtskonvention. Er rief dazu auf, die aus dem Zweiten Weltkrieg gezogenen Lehren nicht zu vergessen.
Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Alexandra Karle, Leiterin Kommunikation und Menschenrechtspolitik bei Amnesty International Schweiz, welche gekonnt mit anspruchsvollen, aber auch auflockernden Fragen die Anwesenden durch den Abend führte. Obwohl vor allem moralische Aspekte im Fokus lagen, wurde immer wieder auch über technische Fragen der Initiative diskutiert.
Klare Worte gegen die Selbstbestimmung fand besonders Andrea Huber, Initiantin und Geschäftsführerin der Allianz der Zivilgesellschaft. Prof. Dr. Matthias Mahlmann, Professor Philosophie und Theorie des Rechts, bemängelte am Abstimmungskampf unter anderem, dass die Begriffe «Selbstbestimmung», «Demokratie» und «Menschenrechte» als Gegensätze verwendet werden, obwohl das eine ohne das andere gar nicht existieren könne. Er bezog klare Stellung bezüglich der Gefahren der Initiative: er könne nur dank dem Schutz der Menschenrechte an dieser Veranstaltung teilnehmen und so offen seine Meinung sagen. Prof. Dr. Martin Schubarth, ehemaliger Bundesrichter, betonte hingegen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seiner Meinung nach Defizite aufweise, weil vieles unter dem Motto Menschenrechtsschutz verhandelt werde, was seiner Meinung nach nicht dorthin gehöre. Schubarth bezeichnete diese Fälle als Lifestyle-Menschenrechte, wie zum Beispiel die Namensgebung bei Kindern. Er plädierte mit dem Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dafür, dass die Subsidiarität der EMRK und des Menschenrechtsschutzes eingehalten werden sollte. Prof. Dr. Francis Cheneval, Professor für Politische Philosophie, zeigte die grössere Problematik für die Legitimation von Demokratien durch die Internationalisierung von Gesetzen und forderte deshalb eine umfänglichere Demokratisierung dieser internationalen Institutionen.
Der Abend wurde nach einer bewegenden Fragerunde mit einem Apéro abgerundet, bei welchem viele der besprochenen Ansätze der Podiumsdiskussion weiter diskutiert wurden. Besonders Gefallen fand bei den Besucherinnen und Besuchern das breite Spektrum der Themen und die Möglichkeit, diese abseits der Abstimmungsparolen detaillierter zu besprechen.
An dieser Stelle möchten die beiden Veranstalter, die Hochschulgruppe Amnesty International Zürich und der Fachverein Polito, nochmals ein herzliches Dankeschön an die vier RednerInnen, an Alexandra Karle, Patrick Walder, den HelferInnen und allen Teilnehmenden aussprechen. Wir danken für das zahlreiche Erscheinen und für den spannenden Abend.
Simona Andreoli für die Amnesty Hochschulgruppe Zürich