Abraham Fissehaye protestiert vor dem Hauptsitz der EU in Brüssel © Amnesty International/Private
Abraham Fissehaye protestiert vor dem Hauptsitz der EU in Brüssel © Amnesty International/Private

Eritrea Regierung bedroht Kritiker im Ausland

Medienmitteilung 27. Juni 2019, London/Bern – Medienkontakt
Eritrea hat seit 2018 einen Sitz im Uno-Menschenrechtsrat in Genf inne. Dies hält die Regierung nicht davon ab, Aktivistinnen und Aktivisten im Exil einzuschüchtern und zu schikanieren, wenn sie Kritik an der repressiven Politik Eritreas äussern. Der lange Arm des Regimes reicht auch in die Schweiz, wie ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt.

«Für viele Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler hat die Flucht aus Eritrea keine Zuflucht vor den Repressalien geboten, denen sie entkommen wollten. Sie müssen ständig auf der Hut sein und können sich nicht frei äussern, da sie sich vor dem langen Arm der eritreischen Regierung in Acht nehmen müssen, der ganz offensichtlich nicht vor Grenzen Halt macht», so Joan Nyanyuki, Regionaldirektorin für Ostafrika bei Amnesty International.

Der Bericht Repression Without Borders zeigt auf, wie Regierungskritiker insbesondere in Kenia, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Grossbritannien Gefahr laufen, von Angehörigen und Sympathisanten des eritreischen Regimes angegriffen zu werden.

Militante Unterstützung für die Partei

Angehörige und Unterstützer der eritreischen Regierung setzen verschiedene Taktiken ein, um Menschen zu schikanieren und einzuschüchtern, die sich kritisch über die Regierung von Präsident Isayas Afewerki und deren Menschenrechtsbilanz äussern. So werden Kritikerinnen und Kritiker unter anderem tätlich angegriffen, verleumdet oder sogar mit dem Tod bedroht.

Für den Amnesty-Bericht wurde der Zeitraum von 2011 bis Mai 2019 untersucht. Es zeigt auf, wie die Behörden den militanten Jugendflügel der Regierungspartei PFDJ dazu einsetzen, Regimekritiker im Ausland zum Schweigen zu bringen.

Die Übergriffe und Bedrohungen gegen eritreische Oppositionelle im Exil in Europa und den USA durch den Jugendflügel der Partei YPFDJ (Young People’s Front for Democracy and Justice) wurden wiederholt über soziale Medien auch von Angehörigen des eritreischen Botschaftercorps begrüsst und angeheizt.

Übergriffe auch in der Schweiz

Im Fadenkreuz der Unterstützer des eritreischen Regimes steht seit Jahren auch Daniel Mekonnen, der Präsident der «Eritrean Law Society»; eines Verbands von Anwältinnen und Anwälten, die sich im Exil für die Menschenrechte einsetzen.

Amnesty International dokumentiert im Bericht massive Bedrohungen und Beschimpfungen gegen Daniel Mekonnen in der Schweiz, dies am Rande eines Auftritts an einer Dialogveranstaltung der Uno-Untersuchungskommission zu Eritrea am 21. Juni 2016: Eine Gruppe von PFDJ-Unterstützenden demonstrierte gegen die Veranstaltung und bedrohte dem Anwalt, nachdem dieser das Uno-Gebäude wieder verlassen hatte.

Auf dem Weg zur Busstation wurde er mit Flaschen und Dosen beworfen, als Verräter beschimpft und von einer wütenden Menge mit dem Ruf, ihn zu fangen, verfolgt, sodass er Schutz beim Sicherheitspersonal der Uno suchen musste. Selbst dann hörten die Bedrohungen und Beschimpfungen nicht auf. Eine Anzeige bei der Polizei führte zu keinem Ergebnis, und Daniel Mekonnen betrachtet den gravierenden Vorfall in Genf als Teil einer umfassenden Strategie der PFDJ, Regimekritikerinnen und Menschenrechtsverteidiger auch im Ausland zu bedrängen und zum Schweigen zu bringen.

Im Februar 2016 kam ein niederländisches Gericht in einem Verleumdungsfall in Amsterdam zu folgendem Schluss: «... [Die] YPFDJ erhält Anweisungen von der PFDJ, [...] hat die Unterstützung des Regimes von Afewerki zum Ziel, und [...] Mitglieder der YPFDJ agieren als Informanten für die Botschaften der Regierung in Eritrea. Die YPFDJ kann daher als verlängerter Arm eines diktatorischen Regimes bezeichnet werden.»

Drohanrufe und Hetze in den Sozialen Medien

Winta Yemane, die in Italien geboren wurde und sich auf ihre eritreischen Wurzeln besinnen wollte, trat in ihrer Schulzeit dem Jugendflügel bei und nahm 2011 an der alljährlichen Konferenz im norwegischen Oslo teil. Als sie dort über ihre Wünsche für die Verfassung, die Menschenrechte und eine unabhängige Justiz sprach, merkte sie schnell, dass sie damit die anwesenden Regierungsvertreter gegen sich aufbrachte.

«Sie sagten, ich sei Opfer von Fehlinformationen geworden, die durch westliche Propaganda und Feinde von Eritrea in Umlauf gebracht wurden. Sie sagten außerdem, dass meine Bemerkungen kein Gewicht hätten, da ich nicht volljährig sei. Drei der Organisatoren drohten sogar damit, mich von der Konferenz auszuschliessen», berichtete Winta Yemane.

Nach ihrer Rückkehr nach Mailand stellte man ihr mehrere Wochen lang nach. Sie erhielt Drohanrufe von ihr unbekannten Nummern und wurde Opfer einer Verleumdungskampagne in den Sozialen Medien.

Auch andere eritreische Staatsangehörige, die im Exil leben, berichten darüber, Unterstützer der Regierungspartei gegen sich aufgebracht und dann ähnliche Schikanen und Übergriffe erfahren zu haben – darunter auch Mussie Zerai, ein katholischer Priester und Friedensnobelpreisanwärter.

Es sind jedoch nicht nur Menschen aus Eritrea, die ins Visier geraten. Der ehemalige Afrika-Redakteur der BBC, Martin Plaut, wurde am 30. November 2018 zu einem Treffen mit einer eritreischen «Quelle» in die British Library in London eingeladen und dann als Vergeltungsmassnahme für seine journalistische Arbeit zu Menschenrechten in Eritrea mit einem Eimer Flüssigkeit übergossen und als «Verräter» beschimpft. Estifanos Afeworki, eritreischer Botschafter in Japan, fand daraufhin auf Twitter lobende Worte für den Übergriff.

Attacken in Kenia

Im Jahr 2013 versuchte Hussein Osman Said, in Nairobi eine von ihm gegründete zivilgesellschaftliche Organisation für eritreische Staatsangehörige im Exil (Eritrean Diaspora for East Africa – EDEA) ins Leben zu rufen und registrieren zu lassen. Daraufhin erklärte die eritreische Botschaft seinen Reisepass für ungültig und liess ihn im Südsudan festnehmen mit der Begründung, er sei ein Terrorist, der die eritreische Regierung sabotieren wolle.

Im Jahr 2017 wurden erneut haltlose Anschuldigungen gegen die Aktivitäten von eritreischen Staatsangehörigen in Kenia erhoben, als die eritreische Botschaft sich schriftlich an das Büro der Vereinten Nationen in Nairobi (UNON) wandte und 13 Personen, die zu einer Kunstausstellung eingeladen waren, als „subversiv“ bezeichnete. UNON verweigerte diesen Personen daraufhin den Zutritt zu dem Uno-Komplex in Gigiri, wo die Ausstellung stattfand.

Vertreter von EDEA sagten Amnesty International, dass sie im Vorfeld der geplanten Gründungsveranstaltung im Februar 2015 von zwei Angehörigen des kenianischen Geheimdienstes aufgefordert wurden, die Veranstaltung abzusagen. Als Begründung führten sie mutmassliche Nachweise dafür an, dass EDEA den Sturz der eritreischen Regierung zum Ziel habe.

«Eritrea nutzt seine Botschaften im Ausland dazu, Kritikerinnen und Kritiker zu drangsalieren und zum Schweigen zu bringen. Dies darf nicht länger hingenommen werden», fordert Joan Nyanyuki.