Im Lager Kakuma, Februar 2023 © Amnesty International
Im Lager Kakuma, Februar 2023 © Amnesty International

Kenia LGBTI* im Flüchtlingslager Kakuma nicht sicher

19. Mai 2023
LGBTI*-Personen, die als Asylsuchende und Flüchtlinge in einem der grössten Flüchtlingslager Kenias leben, sind dort nicht sicher. Sie sind immer wieder Hassverbrechen, Gewalt – auch Vergewaltigungen – und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, erklären die NGO National Gay and Lesbian Human Rights Commission (NGLHRC) und Amnesty International in einem gemeinsamen Bericht.

Das Lager Kakuma im Nordwesten Kenias beherbergt mehr als 200'000 Asylsuchende und Geflüchtete, darunter auch Hunderte von LGBTI*-Personen. Sie sind extremer Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt – sowohl aufgrund ihres Status als Asylsuchende oder Flüchtlinge als auch wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und/oder des Ausdrucks ihrer Geschlechtlichkeit.

Gewalt und Einschüchterung gegenüber LGBTI* können nahezu ungestraft begangen werden.

Der Bericht (Kenya: «Justice like any other person» – Hate crimes and discrimination against LGBTI refugees (PDF, 54 p english) basiert auf Interviews mit 41 LGBTI*-Asylsuchenden und -Flüchtlingen, die zwischen 2018 und Februar 2023 geführt wurden. Er zeigt auf, dass die für Gewalt und Einschüchterung gegenüber LGBTI* verantwortlichen Personen aufgrund der Untätigkeit der Behörden ihre Verbrechen nahezu ungestraft begehen können.

In 32 der 54 Länder Afrikas sind gleichgeschlechtliche Beziehungen gesetzeswidrig und können unter anderem mit dem Tod oder langen Haftstrafen geahndet werden. Auch in Kenia können gleichgeschlechtliche Handlungen nach Gesetzen, die aus der Kolonialzeit stammen, noch immer mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden.

Die in dem Bericht erfassten Aussagen deuten auf eine systematische und weit verbreitete Untätigkeit der Polizei im Flüchtlingslager Kakuma hin, wenn es darum geht, Anschuldigungen von LGBTI*-Asylsuchenden und -Flüchtlingen wegen Hassverbrechen unverzüglich, wirksam, unabhängig und gründlich zu untersuchen.

Amnesty International und NGLHRC kommen zu dem Schluss, dass das grosse Flüchtlingslager in Kakuma für LGBTI*-Asylsuchende und -Flüchtlinge noch immer nicht sicher ist. Um Kenias Flüchtlingslagerpolitik gemäss dem 2021 verabschiedeten Flüchtlingsgesetz zu transformieren und die lokale Integration zu einer tragbaren Lösung für LGBTI*-Flüchtlinge zu machen, müssen die kenianische Regierung, das UNHCR und die Regierungen von Drittländern den Empfehlungen des Berichts folgen, so die beteiligten Organisationen.

NGLHRC und Amnesty International fordern die kenianische Regierung auf, dringend für die physische und psychische Sicherheit aller LGBTI*-Asylsuchenden und -Flüchtlinge im Kakuma-Flüchtlingslager zu sorgen. Ausserdem müssen die Behörden mit den betroffenen Personen und der weiteren LGBTI*-Community Massnahmen absprechen, um Hassverbrechen und andere Formen der Diskriminierung zu verhindern und wirksam darauf zu reagieren.

Um die Versorgung von LGBTI*-Asylsuchenden und -Flüchtlingen sicherzustellen, müssen die Behörden die Lagerpolitik ändern oder aussetzen und eine vorübergehende oder dauerhafte Umsiedlung von LGBTI*-Personen nach Nairobi oder in andere städtische Gebiete in Betracht ziehen.

NGLHRC und Amnesty International appellieren auch an Drittländer, ihre Zusagen für Neuansiedlungen zu erhöhen. Sie sollten für LGBTI*-Asylsuchende und -Flüchtlinge in Kenia, die Schutz in einem Drittland benötigen, aber nicht für ein herkömmliches Resettlement- oder anderes Aufnahmeprogramm in Frage kommen, flexible Alternativen schaffen oder bestehende Massnahmen erweitern.

Hintergrund

Kenia ist das einzige Land im Osten und am Horn von Afrika, das Personen Asyl gewährt, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und/oder des Ausdrucks ihrer Geschlechtlichkeit Schutz suchen.

In der gesamten Region sind LGBTI*-Personen wegen der Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen und Beziehungen wegen gegen LGBTI* gerichtete Gesetze sowie wegen kultureller und religiöser Traditionen noch immer zur Flucht gezwungen.

Viele von ihnen fliehen ins nahe gelegene Kenia. Die nationale Gesetzgebung in Kenia stellt jedoch gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen unter Strafe, und die Rechte von LGBTI*-Personen werden missbraucht.

Im April 2023 wurde im kenianischen Parlament ein Gesetzentwurf zum Schutz der Familie vorgelegt. Er sieht vor, gleichgeschlechtliche Beziehungen weiter zu kriminalisieren, die Erbringung von Dienstleistungen für LGBTI* zu verbieten und die kenianische Regierung zu verpflichten, LGBTI*-Flüchtlingen aufgrund ihrer Sexualität oder sexuellen Orientierung das Asyl zu verweigern oder sie auszuweisen.