MenschenrechtsverteidigerInnen in Mauretanien, die sich gegen die andauernde Praxis der Sklaverei und Diskriminierung im Land aussprechen, werden willkürlich festgenommen, gefoltert und in abgelegenen Gefängnissen inhaftiert. Auch werden Zusammenkünfte systematisch verboten, wie der Bericht «A sword hanging over our heads’: The repression of activists speaking out against discrimination and slavery in Mauritania » belegt. Der Bericht dokumentiert die zunehmende Unterdrückung von Einzelnen und Organisationen, die es wagen, sich gegen Sklaverei und Diskriminierung auszusprechen und kritisieren, dass die Regierung die Existenz des Problems negiert.
«Es ist eine verabscheuungswürdige Missachtung der Menschenrechte, dass die mauretanischen Behörden trotz der gesetzlichen Abschaffung der Sklaverei vor fast 40 Jahren diese Praxis immer noch tolerieren und noch dazu diejenigen unterdrücken, die dies kritisieren», sagt Alioune Tine, der Direktor von Amnesty International für die Region West- und Zentralafrika.
«Angesichts der Wahlen in diesem und dem kommenden Jahr ist die Gefahr gross, dass es zu Unruhen kommen könnte, wenn nicht alle Stimmen – auch die kritischen – geachtet werden. The Behörden müssen diesen Angriff gegen Menschenrechtsverteidiger beenden und konkrete, sinnvolle Massnahmen ergreifen, um die Sklaverei und die Diskriminierung zu beenden.»
Der Bericht legt im Detail die verschiedenen Strategien dar, mit denen die mauretanischen Behörden Menschenrechtsverteidigerinnen und Aktivisten zum Schweigen bringen, darunter das Verbot friedlicher Demonstrationen, die Anwendung exzessiver Gewalt gegen Protestierende, das Marginalisieren von Aktivistengruppen und das Behindern ihrer Aktivitäten.
Sklaverei und Diskriminierung sind immer noch weit verbreitet
2016 schätzten internationale Gruppen zur Abschaffung der Sklaverei die Zahl der in Mauretanien in Sklaverei lebenden Personen auf 43000 – etwa ein Prozent der Bevölkerung.
Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist von Sklaverei oder sklavereiähnlicher ausbeutung betroffen
Amnesty International hat herausgefunden, dass die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Justiz nicht angemessen auf die angezeigten Fälle von Ausbeutung reagieren, weder bei der Identifizierung der Opfer noch bei der Bestrafung der TäterInnen. 2016 wurden lediglich zwei Personen von den Anti-Sklaverei-Gerichten verurteilt, obwohl 47 Fälle und 53 Verdächtige zur Anzeige gebracht wurden.
Der Bericht enthüllt, dass sich die diskriminierenden Praktiken vor allem gegen Angehörige der Haratin und afromauretanischen Gemeinschaften richten. Dazu gehört die grosse Unterrepräsentanz in Führungspositionen und die Behinderung bei Registrierungen z.B. für den Zugang Grundversorgungsleistungen.
Einschränkungen friedlicher Versammlungen und Vereinigungen
Das Recht auf Protest wird in Mauretanien ebenfalls unterdrückt: 20 Menschenrechtsgruppen berichteten Amnesty International, dass die Behörden ihre friedlichen Versammlungen in den vergangenen Jahren verboten oder aufgelöst hatten und dass sie dabei manchmal exzessive Gewalt anwendeten und Menschen schwere Verletzungen wie Knochenbrüche und Schädeltraumata zufügten.
So wurde zum Beispiel im April 2017 die Demonstration von etwa 100 jungen Aktivistinnen und Aktivisten, die eine inklusivere Bildungspolitik forderten, in der Hauptstadt Nouakchott gewaltsam aufgelöst und 26 AktivistInnen wurden festgenommen.
Angehörige der Witwen-und-Waisen-Vereinigung wurden von Sicherheitskräften am 28. November 2017 geschlagen, nachdem 15 von ihnen bei einer friedlichen Protestveranstaltung festgenommen worden waren. Eine der Waisen mussten im Krankenhaus behandelt werden, nachdem sie mit Fäusten gegen den Kopf geschlagen wurde.
Nicht nur Protestveranstaltungen werden verboten, ganze Organisationen, die gegen Sklaverei und Diskriminierung arbeiten, müssen ebenfalls ihre Arbeit einstellen. Der Bericht dokumentiert die Fälle von über 43 Gruppen, die nie eine Arbeitserlaubnis erhalten haben, obwohl sie diese wiederholt beantragt hatten. Dazu zählen der Jugend- und Demokratieverein Kavana («Genug») und die Anti-Sklaverei-Bewegung Initiative for the Resurgence of the Abolitionist Movement (IRA).
Yacoub Ahmed Lemrabet, der Vorsitzende von Kavana berichtete Amnesty International: «Nicht als ‚regulärer Verein‘ anerkannt zu werden, ist, als würde ein Damoklesschwert über dir hängen. Wir führen unsere Aktivitäten fort, aber wir wissen, dass die Behörden jederzeit den Verein schliessen und uns in Gefängnis werfen können.»
«Willkommen in Guantánamo»
Seit 2014 hat Amnesty International international 168 Fälle dokumentiert, bei denen MenschenrechtsverteidigerInnen willkürlich festgenommen wurden, darunter mindestens 17 Fälle, bei denen die Betroffenen gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden.
23 Mitglieder der «Bewegung 25. Februar», eine Jugend- und Demokratiegruppe, wurden seit 2014 festgenommen. Im selben Zeitraum wurden auch 63 Mitglieder der Anti-Sklaverei-Gruppe IRA festgenommen.
Mindestens 15 IRA-Mitglieder sind in unfairen Gerichtsverfahren zu Haftstrafen verurteilt worden und einige wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt, um «Geständnisse» von ihnen zu erpressen.
Amadou Tijane Diop, ein Anti-Sklaverei-Aktivist, der 2016 inhaftiert wurde, berichtete Amnesty International in Juni 2017: «Die Polizei legte mir Handschellen an und verband mir die Augen. Ich hatte keine Ahnung, wohin sie mich bringen würden. Als wir ankamen, sagte ein Beamter: ‚Willkommen in Guatánamo‘. Ehe ich zu einem Verhör geholt wurde, sagte ein Wachmann zu mir: ‚Sag ihnen einfach, was sie hören wollen. Du weisst, dass wir die Mittel haben, um dich zum Sprechen zu bringen.‘»
Verleumdungskampagne
Bösartige Verleumdungskampagnen, gewalttätige Angriffe und Morddrohungen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen bleiben völlig straffrei und häufig werden MenschenrechtsverteidigerInnen als VerräterInnen, Kriminelle, ausländische AgentInnen, RassistInnen, Ungläubige oder PolitikerInnen bezeichnet. Solche Einschüchterungen kommen von höchster Staatsebene und von religiösen Gruppen und finden auch während internationaler Treffen in Europa statt.
Die Einschüchterungen kommen von höchster Staatsebene und von religiösen Gruppen und finden auch während internationaler Treffen statt.
So ist zum Beispiel die Menschenrechtsverteidigerin Mekfoula Brahim zur Zielscheibe einer anhaltenden und systematischen Verleumdungskampagne in den Sozialen Medien geworden. Sie erhält Morddrohungen, seit sie die Aufhebung des Todesurteils gegen Mohamed Mkhaïtir fordert.
«Kampagnen, die MenschenrechtsverteidigerInnen als Bedrohung für die nationale Sicherheit oder kulturelle Werte hinstellen, bringen AktivistInnen in Gefahr und haben eine zersetzende Wirkung auf die freie Meinungsäusserung», sagte Alioune Tine.
«Die mauretanischen Behörden sollten zeigen, dass alle kritischen Stimmen geachtet werden, indem sie alle Menschen freilassen, die nur deswegen in Haft sind, weil sie sich gegen Diskriminierung wenden und die Tätigkeit von Menschenrechtler anerkennen.»