Update 19.3.2024: Leider hat der Legislativrat von Hongkong am 19.3.2024 einstimmig die Verordnung zum Schutz der nationalen Sicherheit gemäss Artikel 23 des Grundgesetzes, der Mini-Verfassung von Hongkong, verabschiedet. Dieser Schritt wurde von den Vereinten Nationen verurteilt und ist Gegenstand einer Interpellation im Schweizer Parlament.
«Die Regierung von Hongkong, die bereits 2020 mit dem von Peking auferlegten Nationalen Sicherheitsgesetz für eine Aushöhlung der Menschenrechte in der Stadt gesorgt hat, geht in ihrer Repression nun noch einen Schritt weiter. Das Tempo, mit dem der Gesetzesenwurf nach Artikel 23 vorwärts getrieben wird zeigt, dass die Regierung bestrebt ist, den Menschenrechtsschutz weiter abzubauen und sich von ihren internationalen Verpflichtungen abzuwenden», sagte Sarah Brooks, China-Direktorin von Amnesty International.
«Mit diesem Gesetz werden die festlandchinesischen Rechtsbegriffe 'nationale Sicherheit' und 'Staatsgeheimnisse' direkt in das Recht von Hongkong importiert, was für die Zukunft der Stadt äusserst beunruhigend ist. Amnesty International hat seit langem dokumentiert, wie solche Gesetze in Festlandchina zur Verletzung der Rechte auf freie Meinungsäusserung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung eingesetzt werden.»
«Der offensichtliche Hauptzweck von Artikel 23 besteht darin, jegliche Kritik an den chinesischen und Hongkonger Behörden und ihrer Politik zu unterdrücken, sowohl innerhalb der Stadt als auch auf internationaler Ebene. Die extraterritoriale Reichweite dieses Gesetzes bedeutet, dass jede Person riskiert, als Bedrohung der nationalen Sicherheit verfolgt zu werden.» Sarah Brooks, China-Direktorin von Amnesty International
Der neue Straftatbestand der «externen Einmischung» ist sehr vage und weit gefasst. Er könnte dazu führen, dass Aktivist*innen wegen ihres Kontakts mit ausländischen Akteuren für sogenannte «Gefährdung der nationalen Sicherheit» verfolgt werden. Zudem wird das Recht auf ein faires Verfahren zunehmend angegriffen, da neue Ermittlungsbefugnisse eine 16-tägige Inhaftierung ohne Anklage und ohne Zugang zu einem Anwalt ermöglichen.
«Der offensichtliche Hauptzweck von Artikel 23 besteht darin, jegliche Kritik an den chinesischen und Hongkonger Behörden und ihrer Politik zu unterdrücken, sowohl innerhalb der Stadt als auch auf internationaler Ebene. Die extraterritoriale Reichweite dieses Gesetzes bedeutet, dass jede Person riskiert, als Bedrohung der nationalen Sicherheit verfolgt zu werden.»
«Die Ankündigung der Regierung von Hongkong, dass ihre öffentliche Konsultation 98,6 % Unterstützung für die Vorschläge zu Artikel 23 ergeben hat ist lächerlich. In einem Umfeld, in dem abweichende Meinungen mit Gefängnis bestraft werden, ist dies ein verzweifelter Versuch, Legitimität zu erlangen. In Wirklichkeit untergräbt dieses Gesetz den globalen Status Hongkongs weiter.
«Wir fordern die Behörden nachdrücklich auf, von diesem Gesetz Abstand zu nehmen und das laufende Gesetzgebungsverfahren zu stoppen. Die internationale Gemeinschaft, einschliesslich der Schweiz, der EU und der Vereinten Nationen, muss der Regierung von Hongkong klar machen, dass die Weiterführung von Artikel 23 ein schwerer Fehler wäre und zu Menschenrechtsverletzungen führen würde.»
Hintergrund
Nach Artikel 23 des Grundgesetzes, der Mini-Verfassung Hongkongs, ist die Regierung verpflichtet, lokale Gesetze zu erlassen, um sieben verschiedene Straftaten zu verbieten: Hochverrat, Sezession, Aufruhr, Umsturz gegen die zentrale Volksregierung, Diebstahl von Staatsgeheimnissen, Verbot der politischen Betätigung ausländischer Organisationen oder Einrichtungen im Gebiet und Verbot der Verbindung politischer Organisationen oder Einrichtungen des Gebiets mit ausländischen politischen Organisationen oder Einrichtungen.
Der vollständige Entwurf des neuen Gesetzes mit dem Namen «Safeguarding National Security Bill» wurde heute veröffentlicht, nur acht Tage nach dem Ende einer einmonatigen öffentlichen Konsultation, zu der angeblich mehr als 13’000 Beiträge eingegangen sind.
Eine 34-seitige Eingabe von Amnesty International im Konsultationsverfahrens wurde vom Hongkonger Sicherheitsbüro als von externen «Anti-China»- oder «Anti-Regierungs»-Organisationen stammend abgestempelt und daher offenbar abgewiesen.
In der Stellungnahme wurde untersucht, ob der Gesetzesentwurf mit den Menschenrechtsverpflichtungen Hongkongs vereinbar ist. Amnesty International hat festgestellt, dass viele der Vorschläge gegen internationale Menschenrechtsgesetze und -standards verstossen.
Amnesty International stellte weiter klar, dass die Definition des Begriffs «nationale Sicherheit» im Gesetzesentwurf zu weit gefasst ist. Es mangelt sowohl den neuen als auch den geänderten Straftatbeständen an rechtlicher Klarheit. Sie sindzudem weder notwendig noch verhältnismässig.
Amnesty International anerkennt, dass jede Regierung das Recht und die Pflicht hat, ihre Bürger*innen und alle in ihrer Zuständigkeit, zu schützen. Dies darf jedoch niemals als Vorwand dienen, um Menschen das Recht zu verweigern, andere politische Ansichten zu äussern.