Marsch der Menschenrechte, Bangalore © Amnesty International, Indien
Marsch der Menschenrechte, Bangalore © Amnesty International, Indien

G20 in Indien Ein Aufruf zum gemeinsamen Engagement

4. September 2023
Die diesjährige G20 Gipfelkonferenz findet dieses Jahr in Neu-Delhi, Indien statt. Laut Amnesty International soll diese Gelegenheit genutzt werden, um die indische Regierung auf die intern zunehmenden Menschenrechtsverletzungen anzusprechen.

Der Slogan, den Indien für den diesjährigen Gipfel auserwählt hat, lautet: «Vasudhaiva Kutumbakam» oder «One Earth, One Family, One Future». Er soll den Wert der menschlichen, tierischen, pflanzlichen und mikrobiologischen Organismen und ihre Vernetzung bestätigen. Gleichzeitig nehmen Repression und Diskriminierung in Indien selber immer mehr zu. Unter Premierminister Modi wächst der staatlich geförderte Hindu-Nationalismus. Menschenrechtsverteidiger*innen und Minderheiten werden immer aggressiver angegriffen. Auch Amnesty International wurde zur Zielscheibe. Nach einer Verleumdungskampagne, während der das Büro und die Wohnsitze der Treuhänder*innen durchsucht und schlussendlich die Konten von Amnesty eingefroren wurden, musste die Arbeit eingestellt werden.

Repression und Manipulation

2018 fand in der kleinen Stadt Bhima Koregaon der 200. Jahrestag des Sieges der Dalits (ehemals bekannt als «Unberührbare») über die Peshwa-Herrscher (repräsentativ für das unterdrückende Kastensystem) statt. Ziel war, das «neue Peshwa-Regime» von Modi und die «zunehmende Unterdrückung sozialer Bewegungen, Gräueltaten an unteren Kasten und die Politik gegen die Armen» anzuprangern. Die Dalits wurden von mehreren Hinduist*innen angegriffen. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Eine Person starb.

Die Polizei behauptete nachher, Teilnehmer*innen der Versammlung hätten die Gewalt durch aufrührerische Reden ausgelöst. Zudem hätte es Hinweise auf weitere kriminelle Aktivitäten gegeben. Am Ende hiess es sogar, sie hätten einen Mordanschlag auf Premierminister Modi vorbereitet. Die Aktivist*innen die in Folge der Proteste in Bhima Koregaon verhaftet wurden, sind mittlerweile bekannt als die «BK16».

Laut der Britischen Zeitung The Guardian geht es im Fall der BK16 um eine extravagante Beweisführung «voll von wilden, unbewiesenen und möglicherweise unbeweisbaren Behauptungen». Das Unternehmen für digitale Forensik «Arsenal Consulting» kam ausserdem zum Schluss, dass die Computer von einigen der Angeschuldigten gehackt worden waren, um belastende Dokumente darauf zu installieren. Assoziierte der BK16 wurden zudem mit der militärischen Spionagesoftware Pegasus angegriffen. Laut Untersuchungen gehört das Modi-Regime zu denen, die diese Software gegen die eigene Bevölkerung nutzt.

Basierend auf dieser «Beweisführung» wurden die BK16 dann im Rahmen des drakonischen Unlawful Activities (Prevention) Act verhaftet. Viele Definitionen dieses «Anti-Terror Gesetzes» sind so vage formuliert, dass sie den Behörden willkürliche Befugnisse geben. Es kennt keine Bestimmungen über angemessene Schutzmassnahmen vor Folter und Misshandlungen. Die Kautionsbestimmungen sind so formuliert, dass Personen über Jahre hinweg ohne jeglichen Prozess inhaftiert werden können.

Trotz Alter und Vorerkrankungen werden die BK16 in überfüllten Gefängnissen festgehalten. Es gibt immer wieder Berichte über die Verschlechterungen ihrer Gesundheitszustände. Sogar während des Höhenpunkts der Corona-Krise, gab es keine Behandlung. Pater Stan Swamy, 83 Jahre alt und an Parkinson leidend, starb sogar in Untersuchungshaft.

Erosion des Rechtsstaaten

Human Rights Watch, Amnesty International und das U.S. State Department sind nur einige der Institutionen, die diese zunehmende Erosion des indischen Rechtsstaates bestätigen. Am 24. August rief Amnesty International die an der G20 teilnehmenden Staats- und Regierungschefs dazu auf, diese Situation «im Einklang mit Ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen direkt und offen mit der indischen Regierung anzusprechen und Indien aufzufordern, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.»

Anfang dieses Jahres forderte EU-Parlamentarierin Alviina Alametsa dazu auf, die Verteidigung der Menschenrechte in den Mittelpunkt der EU-Indien-Partnerschaft zu stellen. In Indien wie auch innerhalb der EU gibt es Fälle von Rechtsverletzungen an Minderheiten. Aber nur wenn zusammengearbeitet wird, kann die oft und gern verwendete Formel von der Werte-Gemeinschaft ernst genommen werden. Genau so, sollte auch «Vasudhaiva Kutumbakam» interpretiert werden.