Aus dem Bericht «They are always watching» von Amnesty International geht hervor, dass die Regierung von General Prayut Chan-O-Cha sich seit ihrer Wahl im letzten Jahr immer häufiger vager oder zu weit gefasster Gesetze bedient, um Dutzende friedlicher KritikerInnen strafrechtlich zu verfolgen.
«Durch die Schikanierung und Verfolgung kritischer Stimmen im Netz hat die thailändische Regierung ein Klima der Angst geschaffen. Damit sollen all jene zum Schweigen gebracht werden, die anderer Meinung sind», so Clare Algar, Head of Global Operations von Amnesty International.
«Die Angriffe der Regierung auf die Meinungsfreiheit im Internet sind ein beschämender Versuch, sich dem prüfenden Blick derer zu entziehen, die es wagen, sie zu hinterfragen. Und die Repression nimmt zu, denn die Behörden scheinen die Covid-19-Pandemie als Vorwand zu nutzen, um Kritik noch weiter zu unterdrücken und Menschenrechte rechtswidrig einzuschränken.»
Die Einschränkungen haben im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 zugenommen, da General Prayut im vergangenen Monat den Ausnahmezustand ausgerufen hat. Damit wurde die Meinungs- und Versammlungsfreiheit weiter beschnitten.
Unterdrückung der Meinungsfreiheit im Internet
Nach Jahren repressiver Militärherrschaft seit dem Putsch von 2014 erhofften sich viele von den Wahlen im letzten Jahr menschenrechtliche Fortschritte. Doch ein Jahr nach dem Amtsantritt von General Prayut – der auch an der Spitze des früheren Militärregimes stand – hat die gewählte Regierung Thailands ihre Bemühungen, Kritik im Internet zum Schweigen zu bringen, noch verstärkt.
Nutzerinnen und Nutzer Sozialer Medien berichteten Amnesty International, wie sie nach der Veröffentlichung regierungskritischer Beiträge schikaniert und eingeschüchtert wurden.
Am 1. November 2019 wurde eine Aktivistin festgenommen und von zehn Angehörigen der Polizei vernommen, weil sie auf Twitter Beiträge über die Regierung und die Monarchie veröffentlicht hatte, von denen einer 60‘000 Mal geteilt wurde. Vor dem Löschen ihres Twitter-Kontos schrieb die Studentin folgende Nachricht: «Ich möchte alle auffordern, es sich zu überlegen, bevor sie Twitternachrichten schreiben oder teilen. Ihr werdet immer beobachtet.»
Sie wurde gezwungen, ein Dokument zu unterzeichnen, in dem ihr mit strafrechtlicher Verfolgung gedroht wurde, sollte sie in Zukunft ähnliche Inhalte verbreiten.
«Diese systematischen Angriffe auf Menschenrechtsverteidigerinnen, Aktivisten, Journalistinnen und Oppositionspoliker entlarven Thailands Bemühungen als Farce, sich selbst als Land darzustellen, in dem Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit respektiert werden», sagt Claire Algar.
Missbrauch von Gesetzen
Die Regierung bedient sich bei der Unterdrückung kritischer Stimmen einer Reihe repressiver Gesetze.
Dazu gehört das Gesetz über Internetkriminalität, das 2016 geändert wurde, um den Behörden die Erlaubnis zur Überwachung und Unterdrückung von Online-Inhalten und zur strafrechtlichen Verfolgung von Personen wegen verschiedener, weit gefasster Gesetzesverstösse zu erteilen.
Darüber hinaus sieht der äusserst vage formulierte Artikel 116 des thailändischen Strafgesetzbuchs eine Strafe von bis zu sieben Jahren Haft für den Tatbestand der Aufwiegelung vor.
Auch die Artikel 326 bis 333 des thailändischen Strafgesetzbuchs zur Verleumdung ermöglichen es den Behörden grundsätzlich, Personen zu inhaftieren, die der «Rufschädigung» von AmtsträgerInnen beschuldigt werden.
Zwar wurde die Anwendung des Gesetzes gegen Majestätsbeleidigung zur Verfolgung vermeintlicher KritikerInnen der Monarchie ausgesetzt, doch bedient sich die Regierung anderer Gesetze zum gleichen Zweck. So wurden sowohl das Gesetz über Internetkriminalität als auch Artikel 116 des Strafgesetzbuchs dazu eingesetzt, Strafanzeige gegen Personen zu erstatten, deren Online-Posts als schädlich für die Monarchie und die Behörden angesehen wurden.
Gegen «Fake News» zu Covid-19
Im Rahmen einer Initiative zur Beeinflussung von Debatten in den Sozialen Medien wurden im November 2019 von der Regierung betriebene Anti-Fake-News-Zentren eingerichtet. Sie sollen Online-Inhalte überwachen, die die Bevölkerung angeblich in die Irre führen. Dabei hat es die Regierung jedoch versäumt, als «Fake News» deklarierte Online-Inhalte durch glaubwürdige, unabhängige Dritte auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen zu lassen.
Während Beschwerden über «Hassrede» und Kampagnen zur Verbreitung von falschen Informationen über MenschenrechtsaktivistInnen ignoriert wurden, haben die Behörden keine Zeit versäumt, bestehende repressive Gesetze zu nutzen, um «falsche» Informationen im Zusammenhang mit Covid-19 zu zensieren.
Am 26. März 2020 griff die Regierung auf die Notverordnung über die öffentliche Verwaltung in Notfallsituationen (2005) zurück. Gemäss Artikel 9 der Notverordnung von 2005 sind BeamtInnen befugt, Informationen zu zensieren oder zu bearbeiten, die sie für falsch oder verzerrt halten und die ihrer Ansicht nach in der Öffentlichkeit Angst oder Missverständnisse erzeugen könnten – mit einer möglichen Strafe von bis zu zwei Jahren Gefängnis.
«Die thailändischen Behörden müssen dem Einsatz von Strafgesetzen gegen Personen, die friedliche Kritik gegen sie üben, ein Ende setzen und weitere Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäusserung unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung verhindern», sagt Clare Algar.
«Alle, die allein deshalb festgenommen wurden, weil sie ihre Meinung geäussert haben, sind unverzüglich und bedingungslos freizulassen, und alle Vorwürfe gegen sie müssen fallengelassen werden. Solange dies nicht geschehen ist, sollte die internationale Gemeinschaft der thailändischen Regierung klar machen, dass derart eklatante Menschenrechtsverletzungen nicht toleriert werden.»