In einer heute veröffentlichten Erklärung haben führende Menschenrechtsorganisationen – Amnesty International, Jesuit Refugee Service Europe, Médecins du Monde Belgique und Refugee Rights Europe – angesichts der akuten Notlage zu sofortiger humanitärer Hilfe aufgerufen. Doch darüber hinaus fordern die Organisationen vor allem dauerhafte institutionelle Lösungen zur Unterstützung der Menschen auf der Durchreise.
«Für die meisten der Menschen, die derzeit bei bitterer Kälte im Freien schlafen müssen, wären Unterkünfte vorhanden. Was fehlt, ist der politische Wille zur praktischen Umsetzung der Unterbringung.» Eve Geddie, Leiterin des EU-Büros von Amnesty International
«Für die meisten der Menschen, die derzeit in Bosnien und Herzegowina bei bitterer Kälte im Freien schlafen müssen, wären Unterkünfte vorhanden. Was fehlt, ist der politische Wille zur praktischen Umsetzung der Unterbringung. Die Behörden müssen den Bedürftigen sofort geeignete Unterkünfte und weitere Hilfe zur Verfügung stellen», sagte Eve Geddie, Leiterin des EU-Büros von Amnesty International.
Trotz 88 Millionen Euro EU-Hilfe keine langfristigen Lösungen
In den vergangenen drei Jahren hat die Europäische Union Bosnien-Herzegowina mit über 88 Millionen Euro für den Bereich «Migrationssteuerung» unterstützt. Trotzdem ist es dem Land nicht gelungen, geeignete Einrichtungen zur Unterbringung von Migranten und Migrantinnen und Asylsuchenden zu finden oder die Verwaltung der bestehenden Einrichtungen vollumfänglich zu übernehmen. Den im Land Gestrandeten wird nicht einmal ein Minimum an Unterstützung gewährleistet.
«Die EU muss jetzt mit den Behörden in Bosnien und Herzegowina zusammenarbeiten, um umfassende und langfristige Lösungen für die Menschen dort zu finden und sicherzustellen, dass sich die gleiche Situation im nächsten Winter nicht noch einmal wiederholt», so Eve Geddie. „Die Verantwortung der EU ist klar – die aktuelle humanitäre Krise ist auch eine Folge der europäischen Abschottungspolitik, die dazu geführt hat, dass Tausende an ihrer Peripherie oder in den Nachbarländern gestrandet sind. »
In Lipa sinken die Temperaturen
Viele der gefährdeten Menschen waren in einem provisorischen Zeltlager im nordwest-bosnischen Lipa untergebracht, das am 23. Dezember 2020 geschlossen wurde. Während der Schliessung des Camps brach ein Feuer aus, das das Gelände unbewohnbar gemacht hat. Am Wochenende liessen die Behörden zwar Dutzende beheizbare Armeezelte auf dem Gelände aufstellen, doch fast 400 Menschen befinden sich weiterhin in selbstgebauten Notunterkünften – trotz des starken Schneefalls und der eisigen Temperaturen, die in den kommenden Tagen voraussichtlich weiter sinken werden.
«Ohne Zugang zu fliessendem Wasser, adäquaten sanitären Einrichtungen oder Heizung besteht ein erhebliches Risiko für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen. Lipa bleibt als dauerhafter Unterbringungsort ungeeignet», so Eve Geddie.
Ausserhalb von Lipa suchen weiterhin viele Menschen – darunter auch Familien mit Kindern – Zuflucht in Parks, verlassenen Häusern, stillgelegten Fabriken und Wäldern
Ausserhalb von Lipa suchen weiterhin viele Menschen – darunter auch Familien mit Kindern – Zuflucht in Parks, verlassenen Häusern, stillgelegten Fabriken und Wäldern nahe der Grenze zu Kroatien. Angesichts der winterlichen Bedingungen brauchen sie dringend eine Unterkunft und humanitäre Hilfe.
«Solange die EU ihre Politik nicht ändert, die solche humanitären Krisen verursacht, gleicht ihre Unterstützung einem Feigenblatt. Die EU muss sichere und legale Wege für diejenigen schaffen, die vor Konflikten, Verfolgung oder Armut fliehen und versuchen, Europa zu erreichen», sagte Eve Geddie.